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Olympisches Finale 2008 - Gefühls-Chaos am Bootssteg

von UTE GALLBRONNER

Mit der dritten Besetzung landet der Käufer-Vierer auf Rang sechs

Urs Käufer kehrt als OIympia-Sechster aus Peking zurück. Im Finale konnte der gebeutelte Vierer ohne Steuermann nicht mehr mithalten und ruderte hinterher. Die Briten siegten verdient vor Australien.


Ersatzgeschwächt auf Rang sechs gerudert: Der deutsche Vierer mit Urs Käufer (zweiter von links). Foto: Getty

"Alle sagen uns, dass wir in Originalbesetzung um eine Medaille gefahren wären, aber das ist jetzt auch kein Trost", sagte der Ulmer Ruderer Urs Käufer, als er nach mehr als einer Stunde vom Bootshaus in die so genannte "Kiss and Cry Area" am Shunyi-Ruderpark kam. Platz sechs bei den Olympischen Spielen, irgendwann werden sie mal stolz drauf sein. Aber Platz sechs ist eben auch der letzte Rang im Finale, und das nagt an den Nerven.

Ohnehin ging es für das Heer der deutschen Riemen-Recken mehr ums Weinen, und nur ein bisschen ums Küssen. Auf den frischgebackenen Vierer-Schlagmann Gregor Hauffe wartete wenigstens seine Freundin, die ihn tröstend in die Arme schloss. Die verwischte Deutschland-Fahne auf der Backe zuckte er mit den Schultern, rang sich ein Lächeln ab. Mehr war nicht drin gewesen, an diesem Tag, unter diesen Umständen.

Die Umstände haben Käufer und seinen Team-Kollegen das verwehrt, von dem sie geträumt hatten, seit sie vor mehr als zwei Jahren zum ersten Mal gemeinsam in ein Boot gesetzt worden waren. Sie waren Vize-Weltmeister 2006, hatten krankheitsbedingt eine völlig verkorkste Saison 2007 und sich in diesem, dem olympischen Jahr zurückgemeldet. Nicht zuletzt mit einem starken Auftritt im Vorlauf von Peking. Es wurde über Medaillen nachgedacht und das völlig zurecht.

Aber dann zerstörte ein schwerer bakterieller Infekt der Nebenhöhlen alle Träume. Toni Seifert und Filip Adamski erwischte es zuerst, sie saßen auf der Quarantäne-Station des Olympischen Dorfes, statt im Boot. Ein Einsatz wäre zu gefährlich gewesen und hätte angesichts des Substanzverlustes auch nichts gebracht. Kurz vor dem Finale begann dann auch noch Ersatzmann Marco Neumann zu fiebern.

"Die Franzosen hatten wir im Vorlauf klar im Griff, und an den Australiern waren wir dran", sagt Käufer, schüttelt dann den Kopf, wie um den Gedanken los zu werden. Er nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche, um das Gefühlschaos runter zu spülen. "Hätte, wenn und aber gilt nun mal nichts im Sport."

Die nüchterne Meldung der Nachrichtenagentur lautet: "Der deutsche Vierer ohne Steuermann hat im Finale den sechsten und damit letzten Platz belegt." Dass das Boot in seinem dritten Rennen in der dritten Besetzung fuhr, wurde nicht erwähnt, wenngleich die Verwirrung dazu führte, dass plötzlich ein Jochen Urnan im Boot saß, den es nachweislich nicht gibt. Urban heißt der junge Mann, und er gehört eigentlich in den Achter. Am Samstag spielte er den Ersatzmann des Ersatzmanns.

"Nach dem ersten Rennen waren wir super drauf, am Mittwoch Morgen am Boden zerstört, nach dem Halbfinale einfach nur glücklich, und jetzt sind wir wieder ganz unten", schildert Käufer die Achterbahn der Gefühle, die es in den vergangenen acht Tagen zu bewältigen galt. "Ich persönlich finde, dass es ein großer Erfolg war. Respekt, was sie aus dieser Situation gemacht haben", meinte Trainer Ralf Müller: "Die Jungs müssen sich jetzt am Halbfinale hochziehen."

Adamski und Seifert hatten das letzte Rennen an der Strecke verfolgt. Mehr als anfeuern konnten sie nicht, und sogar das fiel ihnen schwer. "Wir werden versuchen ein paar Wettkämpfe anzuschauen. Auf jeden Fall bleiben wir bis zum Schluss", sagt Urs Käufer. Danach geht es dann heim - und zwar nach Ulm: "Das ist Urlaub." Ans Rudern wird erst später wieder gedacht. Schließlich gilt es auch das restliche Leben zu ordnen: Nach seiner Zeit als Sportsoldat beginnt er das Studium der Wirtschaftspsychologie. Vom Rudern kann man schließlich nicht leben.

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