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Die Reichsgräfin und die Tümpelkröte – Elbepokal 2010 in Dresden

Die Reichsgräfin
Dresden wie vor den massiven Zerstörungen des zweiten Weltkriegs – so langsam nähert es sich heute dem Vorkriegszustand wieder an, es gibt fast keine Baulücken mehr in der Altstadt. Hier spürt man, dass da früher immer Geld da war, Silberabbau im Erzgebirge usw., ganz im Gegensatz zum damaligen, sehr armen Württemberg, dort ein ähnlicher Baustil, aber alles zwei Nummern kleiner. Und jetzt ist das Geld wieder da, von allen gemeinsam finanziert.


Das Taschenbergpalais der Reichsgräfin von Cosel

Auch alte, verloren geglaubte Gebäude sind wieder da wie z.B. das Taschenbergpalais neben dem Schloss, unweit von Zwinger und Semperoper, heute ein Fünf-Sterne-Hotel. Erbaut wurde es für die Mätresse von August dem Starken, für Anna Constantia, Reichsgräfin von Cosel. Und für etwas bodenständigere Besucher wie z.B. Masters Ruderer aus Ulm gibt es im Taschenbergpalais heute den Sophienkeller mit einem militärischen Zeltlager aus jener Zeit. Im Rahmen heute üblicher Erlebnisgastronomie bietet dort auch ein Hellseher seine Dienste an.  Vor einem Rennen, genauer gesagt vor dem Dresdner Elbepokal 2010 mit seiner 5-km-Strecke von Pillnitz bis zum Blauen Wunder zwischen Blasewitz und Loschwitz, kommt schon mal kurz die Versuchung auf, den Ausgang des Rennens voraussagen zu lassen.

Doch dann erscheint die frühere Hausherrin, die Reichsgräfin von Cosel, persönlich am Tisch und spricht die Ulmer Ruderer im Pluralis Majestatis an mit deutlich mehr Unterhaltungswert als der Hellseher, sie bemerkt dabei eine Frauenquote von 0%. Doch auf eine kurze Erklärung, dass wir nicht zum Vergnügen da wären, sondern zum Rudern, entgegnet dann die Hausherrin sogleich: "Die Reichsgräfin wünscht eine gute Verrichtung."


Der Mixed Doppelvierer bei der After-Race-Party

Der Elbepokal
Der URCD war 2010 auf der Elbe mit zwei Mannschaften vertreten, dem Mixed Doppelvierer mit Thorsten Lehr, Katrin Lehr, Sabine Stumpf und Frank Scherber, die es nach dem entgangenen Rennen in Würzburg noch mal wissen wollten, und dem resolut-Team im Masters D Achter, das ohne Steuerfrau angereist war. Dank der Regattaleitung und der Trainerin im Dresdner Ruderverein, Grit Mund, kam mit dem 18-jährigen Philipp Gäbert ein ortskundiger Lotse an Bord, der alle Untiefen und Strömungen bestens kannte. Fast wäre man in der offenen Klasse gestartet, verbunden mit einem Start in Pirna und 15 km Streckenlänge. Aber das führte laut Cheforganisator Martin Grimmeiß zur Abwertung d.h. dann doch lieber Start über 5 km im Masters-Achter.


Kalter Wind und leichte Wellen beim Elbepokal 2010 in Dresden

Am Renntag pfiff bei strahlendem Sonnenschein ein kalter Wind von Osten über den Fluss, der zusammen mit einer Strömung, die noch stärker war als üblich, schnelle Rennzeiten garantieren sollte. Fast alle Teams trafen jetzt erst mit ihren Bootstransporten ein, auf dem Rasen zwischen Bootshaus und Uferweg lagen zwei Achter bereits rennfertig, der Ulmer LRVBW-Leihachter und das Boot der direkten Ulmer Gegner aus Saarbrücken. Die räumliche Nähe beider Teams fand ihre Fortsetzung bei der Unterkunft – Ulmer und Saarbrücker fanden sich im selben Hotel in der Prager Straße direkt in der Dresdner Innenstadt wieder. Oberflächlich betrachtet wiesen die Saarbrücker einige vermeintliche körperliche Vorteile auf – etwas größer, im Durchschnitt ein Jahr jünger.

Das Rennen
Für den Weg zum Start waren 40 Minuten eingeplant, der gefühlt sehr kalte Gegenwind tat sein bestes und ließ erst mal die Hände richtig kalt werden. Kurz nach der relativ pünktlichen Wende nach dem Hochrudern zum Start in Pillnitz hieß es "Kittel runter" – der Wind wurde jetzt zum Schiebewind und der Fröstelfaktor war fast verschwunden. Wir Ulmer als leicht Ältere durften vor den Saarbrückern zum Start einschwimmen. Der LRVBW-Leihachter trieb dabei mit der Strömung auf die Startlinie zu und ging nach dem Startkommando beim Passieren der Startlinie mit Startschlägen ins Streckentempo von 31 bis 32 Schlägen pro Minute über. Philipp, unser Mann am Steuer aus Dresden, wählte eine Linie mit der stärksten Strömung, die uns manchmal sehr nahe an die äußerst robusten Fahrwasserbegrenzungsbojen heranführte. Eine Begegnung mit einem Ausleger würde so eine Boje wahrscheinlich kaum kratzen, ganz im Gegensatz zu dem Ausleger, auf den die Boje sicher ordentlich Eindruck machen würde.


Nach dem Rennen geht's für diese Vierer wieder flussaufwärts zu den Bootshäusern

Auf der 5-km-Strecke, vorbei am 252 m hohen Dresdner Fernsehturm von 1969 kamen die gleich danach gestarteten Saarbrücker gefühlt etwas näher, vorbei an der Elbfähre Tolkewitz. Langsam kommen die Rudervereine in Blasewitz in Sicht – Endspurt zum Ziel am Blauen Wunder, der Loschwitzer Brücke. Die Saarbrücker sind doch nicht deutlich näher gekommen. Im Endergebnis springen sogar 18 Sekunden Vorsprung für das resolut-Team mit Uli Steinacker, Werner Strassner, Michael Leibinger, Mike Dauser, Arnd Furken, Jörg Haußer, Martin Grimmeiß und Theo Eckhardt heraus. Nachmittags bei der Siegerehrung-auf-Anfrage im Zielbereich erscheint man, wenn man sich als Sieger im Rennergebnis wiederfindet, und wird sofort geehrt. Cheforganisator Martin Grimmeiß holt unsere Blechla als Mannschaftsvertreter ab und übergibt das golden glänzende Siegerblechle für den Steuermann Philipp der halb ungläubigen, halb staunenden Trainerin vom Dresdner RV, Grit Mund.

Der gemischte URCD-Doppelvierer trifft in der offenen Klasse auf eine richtig junge Mannschaft aus Pirna, die diesen Alters- bzw. Jugend-Vorteil in einen Vorsprung von 37 Sekunden ummünzen kann.

Die Tümpelkröte
Zum Start des Elbepokals erlebte ein besonderes Schiff im Dresdner RV seine Premiere: man nehme einen alten Gigvierer, lege es in deutlich höhere Böcke und schraube die Ausleger ab. Dann kommt eine moderne Küchenarbeitsplatte drauf, die den Umrissen des Bootes angepasst ist und durch einen Seitenrand nach unten auch nicht verrutschen kann und fertig ist das Thekenschiff – dazu noch einen lustigen Namen, die Tümpelkröte. Jetzt fehlen nur noch die Barhocker.


Der Schöpfer der Tümpelkröte hinten am Bug

Nach der Taufe der Tümpelkröte wird sie sofort ihrem neuen Bestimmungszweck als Thekenschiff zugeführt und von ess- und trinkwilligen Ruderern umlagert. Der Erbauer steht strahlend daneben und reiht sich gleich mit ein. Zu dieser fortgeschrittenen Karriere braucht man der Tümpelkröte keine Handbreit Wasser unter dem Kiel mehr wünschen, auch kein Wasser im Glas, sondern eher in einer etwas geschmacksverstärkten Version.

After-Race-Party


Das Blaue Wunder von der Bergstation der Schwebebahn aus gesehen

Über das Blaue Wunder von 1893 geht's zum After-Race-Ausflug hinüber nach Loschwitz zur Schwebebahn von 1901, die den Krieg unversehrt überstanden hatte. Von der Bergstation oben am Elbhang bot sich ein toller Rundblick über das Elbtal, besonders in Richtung Stadt mit ihrer markanten Silhouette, mit der neuen Waldschlösschenbrücke, die 2011 fertiggestellt wird und den drei Elbschlössern mit den Weinbergen drum herum.


Die drei Elbschlösser vom Blauen Wunder aus gesehen

Das Szenenviertel in der Dresdner Neustadt mit seinem etwas morbiden Charme lässt abends Erinnerungen an die eigene, schon deutlich zurückliegende Studentenzeit aufkommen. Am Eingang zur Neustadt erinnert der Goldene Reiter (August der Starke) an eine vergangene und jetzt nach dem erfolgten Wiederaufbau wieder neue begonnene Glanzzeit, mit der Dresden alle in seinen Bann zieht. Etwas vom goldenen Glanz von Dresden dürfen die resolut-Ruderer 2010 wie bereits erwähnt mit nach Hause nehmen – in Form des golden glänzenden Siegerblechles.


Der Goldene Reiter (August der Starke) in der Dresdner Neustadt

Die Ergebnisse im Detail: 36. Elbepokal Dresden vom 30.10.2010

Rennen 1 : MM 8+ A bis D 5.000 m Altersklasse MD
1.  Nr. 8 Rgm. Ulmer RC Donau / Dresdner RV (MD 52,375) 13:41,93
Mike Dauser (61,URCD), Hans-Theodor Eckhardt (56,URCD), Arnd Furken (61,URCD), Martin Grimmeiß (53,URCD), Michael Leibinger (54,URCD), Ulrich Steinacker (56,URCD), Werner Strassner (64,URCD), Jörg Haußer (56,URCD), St. Philipp Gäbert (92,DDRV)

2.  Nr. 9 Rgm. RV Saarbrücken / RGM Grünau Berlin / USV TU
Dresden (MD 50,625) 13:59,64 + 17,71
Nils Volker Winter (66,RVSB), Martin Alles (69,RVSB), Karsten Bach (58,RVSB), Dr. Christoph Dallinger (52,RVSB), Jürgen Grasbon (60,RVSB), Gerald Hürter (54,RVSB), Jochen Kubiniok (56,RVSB), Matthias Ludewig (60,USVDD), St. Jacqueline Wolf (65,RGGru)

Rennen 3 : SM/F 4x A Mix 5.000 m
1.  Nr. 15 Pirnaer Ruderverein 1872 13:53,06
Alessandra Ullrich (89), Matty Hähling (92), Georg Heidenreich (89), Lisa Wunderlich (93)

2.  Nr. 16 Ulmer Ruder-Club 'Donau' 14:30,10 + 37,04
Thorsten Lehr (77), Sabine Stumpf (72), Katrin Lehr (82), Frank Scherber (69)


Das Blaue Wunder


Blick zur Frauenkirche

36. Dresdner Elbepokal 2010 - Langstrecke zum Saisonabschluss

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