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Pfingsten 1999 - URCD komplett überflutet

Hochwasser1999 biergarten
Hochwasser1999 biergarten2
Hochwasser1999 bootshalle innen
Hochwasser1999 bootsplatz mit drachenbooten
Hochwasser1999 buero
Hochwasser1999 gaststaette
Hochwasser1999 gigboothalle
Hochwasser1999 kraftraum
Hochwasser1999 nachher1
Hochwasser1999 nachher2
Hochwasser1999 nu schuetzenstr
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Hochwasser1999 parkplatz
Hochwasser1999 parkplatz2
Hochwasser1999 rennboothalle
Hochwasser1999 sandkasten
Hochwasser1999 uferweg
Hochwasser1999 umkleide

Am Pfingstsamstag, den 22. Mai 1999, kam, was niemand in Ulm und besonders in Neu-Ulm für möglich gehalten hatte: ein Jahrhunderthochwasser. Hochwasser, das gab's höchstens woanders in den Nachrichten und wenn schon in Ulm, dann mal in geringerem Umfang im Fischerviertel. Und die Neu-Ulmer waren höchstens staunende Beobachter.

Die Donau führte viel Wasser, drei bis vier Stufen der Treppe zum Floß schauten am Samstag Abend aus dem Wasser heraus, bis oben war die Donau beim URCD noch nie gekommen. Dass doch etwas nicht in Ordnung sein könnte, begann mit einem besorgten Anruf der Wirtin in der Gaststätte im URCD, Frau Cviko beim Vorsitzenden, Michael Leibinger, in der Nacht vom 22. zum 23. Mai, dem Pfingstsonntag.

Alle schnell erreichbaren Mitglieder kamen mit dem, was man als hochwasserunerfahrener Ulmer so mitnehmen würde: Eimer, kleine Elektropumpen, Putzlumpen etc. Von den Behörden kam als Zwischenbericht vom Oberlauf der Iller, dass der Pegel Kempten nicht mehr steigen würde. Irgendwann fuhr aber dann doch die Polizei durchs Neu-Ulmer Villenviertel beim URCD und gab Frau Cviko den Tipp, wichtige Sachen und Unterlagen in den (nicht vorhandenen) ersten Stock zu bringen. Aber es war ja dunkel.

Das Wasser kam immer näher: in der Kegelbahn drückte es bereits in geringem Umfang aus der Wand und den Lichtschächten, so dass zunächst die Putzlumpen als geeignetes Gegenmittel erschienen. Hätte man den wirklichen Umfang des Hochwassers abschätzen können, hätten zu diesem Zeitpunkt alle heimgehen und schlafen können und den URCD in Ruhe absaufen lassen können. Kein Ausweichen gab es für die Wirtsfamilie Cviko im Bootshaus. Sie verlor alles, was sich nicht einen Meter über dem Boden befand. An der Holzverkleidung der Umkleide sieht man bis heute den endgültigen Wasserstand, der eigentlich gar nicht hoch war, aber ausreichte, um die Kegelbahn und die Heizung im Untergeschoss zu zerstören. Das meiste Wasser hatte das Bett der Iller schon deutlich vor der Illerspitze verlassen und sich seinen Weg über Felder und Gärten nach Neu-Ulm gesucht.

Im Winter und Frühjahr 1998/99 war die Gaststätte des URCD komplett umgebaut worden mit einem neuen Parkettboden, der also zu Beginn seines "Lebens" gleich den Hochwassertest machen musste. In den Bootshallen waren zum Anrudern 1999, also kurz vor dem Hochwasser, die neuen roten Rolltore an den Bootshallen eingebaut worden. Hätte man vor dem Hochwasser also die neuen Rolltore geöffnet, um das Hochwasser hereinzulassen, wäre den Toren nichts passiert. So aber wurde die Torelektronik an der Unterkante vom Wasser unbrauchbar gemacht.

Dass sich Hochwasser und Strom nicht besonders gut vertragen, war allen bewusst. Deshalb wurde bald die Generalsicherung im URCD ausgebaut. Die Stromversorgung der SWU war im Prinzip aber immer noch voll verfügbar. Am Sonntag Morgen war der Stromverteilerkasten der SWU am Radweg von der Bootshausstraße zur Adenauerbrücke noch voll unter Saft, es dampfte richtig aus dem Inneren heraus.

Im URCD war morgens am Pfingstsonntag Wachwechsel: die einen hatten das Hochwasser hereingelassen, die anderen passten ab dem Morgen auf das Hochwasser auf. Jetzt war bei Tageslicht der volle Umfang zu sehen. Alle Boote in den Rolllagern der Bootshallen wurden umgelagert, die Rennboote in Böcke und die Gigboote aufs Wasser ausgelagert d.h. auf dem Bootsplatz schwimmend einfach am Zaun des Tennisplatzes angebunden, zu sehen auch auf dem Luftbild mit URCD, Adenauerbrücke und DLRG inmitten einer riesigen Wasserlandschaft.

Was macht man, wenn ringsherum Wasser ist und man zufälligerweise Zugriff auf ein Ruderboot hat – man rudert. Im Doppelvierer "100", der Jahre später ein Opfer des DLRG-Floßes wurde, ging's vom Bootsplatz an der Umkleide vorbei zur Gaststätte, nach einer Wende zurück und durch den Durchgang zwischen Umkleide und Bootshalle weiter zum Parkplatz.

Da nicht nur der URCD überflutet war, sondern die ganze Neu-Ulmer Weststadt, ergab sich ein ganz neues, ungewohntes Betätigungsfeld. Kurz entschlossen ging's mit der "100" raus auf Bootshausstraße und Schießhausallee. Doch hier war schnell Schluss: die Neu-Ulmer Schützenstraße hatte sich in einen reißenden Fluss verwandelt. Vom Atlantis her, das noch ganz neu war, ergoss sich das Hochwasser immer schneller hin zum tiefsten Punkt der Schützenstraße bei der Eisenbahnunterführung. Dieser ungewöhnliche Ausflug ist auch in der Bildergalerie dokumentiert.

So schnell wie das Pfingsthochwasser 1999 gekommen war, so schnell war es auch wieder weg. Schon einen Tag später am Pfingstmontag, den 24. Mai, war der Spuk schon wieder vorbei, aber der Dreck war noch da. Beim Aufräumen zeigte sich, dass eine relativ glimpfliche Notsituation für einen Verein auch als positives Gemeinschaftserlebnis erlebt werden kann - die Stimmung war trotzdem gut.

Wenn das Wörtlein wenn nicht wär: Der URCD ist zwar ein württembergischer Verein und in Baden-Württemberg gab es damals noch als Pflichtversicherung die staatliche Gebäudebrandversicherung, die Hochwasserschäden mit abgedeckt hat. Das Bootshaus liegt nun aber mal im Freistaat Bayern, in dem es diese Versicherungspflicht nicht gab. Letztendlich bedeutete der finanzielle Schaden des URCD, dass die geplante Aufstockung der Gaststätte nicht mehr ausgeführt werden konnte. Ironie des Schicksals: der URCD-Vorstand hatte im Frühjahr 1999 bei einer Versicherung angefragt, was eine Hochwasserversicherung für das Bootshaus kosten würde. Zu ihrem Glück hat aber die Versicherung die Anfrage nicht beantwortet, sonst hätte der URCD mit nur einer Versicherungsprämie gleich den vollen Versicherungsschutz gehabt.

Was haben die Behörden daraus gelernt? Dass mit einer rechtzeitigen Vorwarnung der Bevölkerung und einer genügenden Vorlaufzeit geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, um die Stadt Neu-Ulm zu schützen. Beim nächsten Hochwasser 2005 hätte die Donau wieder den URCD "besucht", wenn nicht der Sandsackwall am Ufer die Donau zurückgehalten hätte. Dieser Sandsackwall verlief 2005 parallel zu der Stelle, an der in der Zwischenzeit die Hochwassermauer in Neu-Ulm entstanden ist.

Wenn alles gut läuft, sitzen wir beim nächsten Jahrhunderthochwasser im URCD bei einer entspannten Hochwasserparty, weil die Hochwassermauer die Donau komplett abgehalten hat und auch sonst kein Grundwasser irgendwo zum Vorschein gekommen ist.

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