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Schwitzen hinter Rebstöcken

von UTE GALLBRONNER

Urs Käufer und Trainer Christian Viedt bereiten sich auf die Olympischen Spiele vor

Zwei Ulmer bereiten sich gerade in Achkarren am Kaiserstuhl auf die Olympischen Spiele in Peking vor. Einmal Urs Käufer, der im Vierer ohne Steuermann um Gold fahren will. Zum anderer ist das Christian Viedt, der als neuer Trainer den Achter wieder auf Vordermann bringen will.


Schuften für Peking: Der Vierer ohne Steuermann mit (von rechts) Filip Adamski, Urs Käufer, Toni Seifert und Gregor Hauffe stecken gerade mitten in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Foto: Hansjörg Käufer

Achkarren am Kaiserstuhl ist für die deutschen Riemen-Ruderer derzeit der Nabel der Welt. In der Krone haben sie vor zwei Wochen Quartier bezogen. Ein paar Fähnchen schmücken den Biergarten, im Speiseraum geht es eng her, aber der ist wohl nicht für Männer dieses Formats gebaut, zumindest nicht für 18 auf einmal.

"Lagerkoller? Keine Spur", sagt Urs Käufer lachend: "Wir halten es hier gut aus. Am Abend sind wir sowieso meistens zu müde, groß was zu unternehmen. Mal ein bisschen Billard, und Spielkonsolen haben wir auch, ganz wie die Fußballer." Und vor allem die Verpflegung stimmt, was nicht zu übersehen ist: Auf keinem Teller liegen weniger als drei Stück Fleisch, ein Schlag Bohnen, mehrere Knödel und dick Soße drüber. Es gilt schließlich bei intensivem Training das Kampfgewicht zu halten. „Bon appetit", wünscht der französische Koch.

Die Stimmung ist vor allem deshalb gut, weil die Chemie zwischen den Athleten, die hier für die Olympischen Spiele schwitzen, stimmt. Aus den Vierer-Konkurrenten der ersten beiden Weltcups, als Käufer mit Filip Adamski, Gregor Hauffe und Toni Seifert noch gegen die Hälfte der jetzigen Achter-Crew ums Olympia-Ticket kämpfen mussten, sind wieder Freunde geworden. „Psychologisch war das eine sehr schwierige Situation für uns", sagt der 23-jährigen Ulmer: „Da hat es stimmungsmäßig schon Einbrüche gegeben." Gemeinsam hätten sie für einen Umbruch gekämpft, verrät der Radolfzeller Kristof Wilke: "Wir hatten uns vor der Sitzung damals getroffen und waren bereit, für unsere Position einzustehen." Soweit musste es nicht kommen. Der Leistungssport-Ausschuss entschied im Sinne derer, die jetzt in Breisach zusammen sind.

Jetzt ist alles gut, sogar das Wetter. Meistens jedenfalls. Aber ausgerechnet beim offiziellen Foto-Shooting machte sich eine Gewitterfront über dem Rhein breit. Pudelnass kehrten die Ruderer nach wenigen Minuten auf dem Wasser zurück ins Bootshaus. Ein kurzes Schütteln, Käufer grinst, während ihm das Wasser von der Nase tropft: "So ist das eben mit dem Freiluftsport." Der Rest des Trainings wird im Fitnessstudio absolviert.

Christian Viedt stellt sich währenddessen seiner neuen Aufgabe. Als Achter-Coach steht der, zweite Ulmer der olympischen Crew im Mittelpunkt des Interesses: „Natürlich hat sich die Situation für mich geändert. Mit den Jungs arbeite ich zwar schon lange zusammen, aber das Interesse am Achter ist natürlich ungleich größer als am Vierer oder Zweier." Viedt steht für den Generationenwechsel, für eine andere Philosophie als Dieter Grahn. Während der alte Coach an seiner erfolgreichen Mannschaft festhielt, es zuließ, dass dieser Kreis keinem anderen eine Chance gab, fördert Viedt den kontinuierlichen Einbau der Jugend: „Die Entscheidungen sollen auf dem Wasser getroffen werden, in der direkten Auseinandersetzung der Sportler, und so wenig wie möglich am grünen Tisch."

Der Wandel vom Assistenz- zum Chefcoach kam über Nacht, im Alltag ist er nicht so leicht zu vollziehen: "Der Chef ist natürlich eher der Böse, der Assistent der kumpelhafte Typ. Das kann ich jetzt ja nicht schlagartig ändern", sagt Viedt. Und die heue Verpflichtung bringt es auch mit sich, dass die Familie ihn noch weniger sieht: "Frau und Kinder sind gerade in Ulm. Aber das sind von hier auch gut, dreieinhalb Stunden zu fahren."

"Langsam wird es hart. Aber wir sind bis jetzt gut durchgekommen, besser als die letzten Jahre", sagt Käufer, denn in Breisach wird vor allem an der Physis gearbeitet. "Wir haben das Krafttraining noch mal umgestellt, setzen andere Reize." 87 Kilo stehen auf seiner Pflichtenliste, kontrolliert wird morgens um halb sieben. Nur ja nicht drunter kommen unter das Kampfgewicht, lautet die Devise.

Morgen geht es für die gesamte Crew zur Einkleidung, am kommenden Dienstag werden sie offiziell nominiert. Am 30. Juli hebt dann das Flugzeug in Frankfurt ab, und am 9. August wird es olympisch ernst für den Vierer ohne Steuermann im Sunyi Ruderpark von Peking.

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