Orta Lake Challenge 2019
Es war im März 2019, im URCD.
Acht Frauen formierten sich zu einer Mannschaft, die das Wort ins Gegenteil kehrte, denn es war ja eben kein Mann dabei.
Wir glaubten zuvor, ein Männer8er wird garantiert voll und nimmt am Rennen teil, dass ein Frauen8er eher schwierig sein wird, aufgefüllt mit acht+1 Damen an den Start zu gehen. Der Frauen8er war ruckzuck voll, der Männer8er, nun ja … eben nicht. So begann diese Geschichte, auf zum traumhaften Lago d‘Orta.
Der ganze URCD war von seiner weibliche Seite überrascht, denn es fehlte noch ein geeignetes Boot. Die besten 8er in stolzer Männerhand, die alten 8er, so schwer und dem Streben der 8 Amazonen nicht angemessen. Der Rennsport half und der Frauen8er war geboren – in Rot. Welche andere Farbe wäre besser geeignet um Frauen zu schmeicheln.
Froh übers Material, begaben sich die Damen ans Werk und nach der Platzverteilung folgten die ersten Schnupperrunden. Treffen, Trainingseinheiten, Platzwechsel, Anlagenoptimierungen, nichts wurde ausgelassen und blieb unversucht. Es kam der Tag, an dem sie sich mit „ich freue mich so auf das Rennen“, gedanklich und emotional zusammenfanden und los zogen zum See der Erwartungen.
Orta Lake Challenge, so europäisch nennen die Italiener das seit 14 Jahren traditionelle 1er Rennen um die Insel San Giulio, in Gedenken an Don Angelo, dem Gründer der Canottiere d’Orta und örtlichem Pfarrer. Dieser, es soll kein böses Omen sein, ertrank 2002 in einer kalten winterlichen Sturmfahrt mit seinem Ruderboot – im Alter von 74 Jahren. Diesem Don Angelo ist seit dem die Regatta als „Memorial don Angelo Villa“ rührend gewidmet. Das vierte Jahr nun kommt das 8er Rennen dazu.
Diese Challenge also, aufgeteilt in ein Massenstart 1er Rennen am Sonntag und dem 8er Start am Samstag, war Ziel unserer URCD Frauenriege. Bis vor einem Jahr fand die Veranstaltung immer am Monatswechsel Feb/März statt, als aber 2018 so heftige Schneeflocken und Sturmböen übers Ruderfeld hereinbrachen, war es genug und man verlegte in den noch warmen Oktober. Wohl wissend, dass die Termine in Europa immer mit irgendetwas kollidieren.
Der Filippitransporter kam pünktlich wie angekündigt und wir durften „unseren“ 8er selbst aufriggern. Carbonausleger, COX Anlage, ein relativ junges Leichtgewichtsboot, ein Traum. Nicht rot aber technisch auf hohem Niveau, wenn dass nicht hilft!
Die Trainingsfahrt konnte beginnen, die Damen fanden sich zurecht und sortierten Kraft und Können. Die 6km Strecke mal abfahren wurde zu einem 12km Streckenerlebnis. Raimund, wir müssen reden ;-)
Dank Stefano, dem „Presidente“ hatte niemand mehr das Boot verstellt, so konnte am Morgen des Rennens auf die optimale Einstellarbeit gesetzt werden und da weitermachen, wo das Training geendet hatte. Das Wetter gab nochmal alles, italienische Sonne auf dem Weg zum Zenit, laues Mittelmeerklima strömte. Der See war ruhig und ließ es sich gefallen. Es wurde so spannend, von 19 Booten waren 17 italienisch, die ganze Fremde ließ sie aufgeregt hungrig nach Information gieren. Wo gehts los, wo ist die Startlinie, wo die Ideallinie. Wie war das nochmal mit den Bojen, Fragen über Fragen, wiederum kümmerte sich Stefano speziell und beruhigte mit seiner freundlichen Art die weiblichen Gemüter, mit klaren Angaben. Und schnell ging’s auch plötzlich los, die Maschinerie der Organisation lief an, wassern. Nochmal durchzählen, ja alle 9 an Board und los. Conny, die Steuerfrau glänzte mit kraftvollen Kommandos und unerbittlicher Aufforderung, besser auf sie zu hören, als auf die Ablenkungen durch die viele Italienerinnen. Diese traten teils martialisch auf, mit Modeaccessoirs und Kriegsbemalung, italienisch eben. Mann schaut! Es waren eben diese Damen der Carabinieri Sportivo Nationale U23, die natürlich noch aktiv in einer anderen Klasse rudern.
Egal, raus und zur Form finden, aufsynchronisieren und den Schlag spüren. Lisa gab vor, Sara trug das Nummernschild, Startplatz Numero 2.
Boot Nr. 1 befand sich bereits auf dem Weg zum Start, auffälliges Einreihen und schon brüllte der Linienrichter ins Megaphon. Quasi fliegender Start aus dem Stand, oder so, unser Frauen8er machte es nach und die Zeit lief los.
Die StartNummer 1 im Visier, langer Schlag, roooooollen, auf dem ersten Abschnitt zur Wendeboje. Wende, nicht groß geübt, dennoch gekonnt. Den Carabinieridamen hinterher, noch ist der Abstand gleich, hinten kommt nichts nach. Gute Situation, nach schon 2km ein super rhythmischer Streckschlag, lang und kräftig. Die Isola San Giulio kam rasend näher, irgendwo dahinter muss die zweite Wendeboje sein. Touristischer Schiffsverkehr, Kajaks, Motorboote, im Inselreich tummelte sich viel. Conny steuerte elegant und vorausschauend einen schnellen Kurs durch das Gewimmel, doch wo war diese zweite Boje? Die muss doch .... oh Gott, sie steht nicht wie im Streckenplan eingezeichnet! Conny meistert die Situation souverän, stopp und hartes Backboard über, vier Damen gaben alles, vier weitere übten sich im Kraftausgleich Steuerbord und hebelten, was das Zeug hält. Rum ums wahrhafte Eck und weiter gehts, gut Halbzeit. Die Wende hatte gezehrt, leider nicht am Abstand nach vorne, doch hinten kam noch immer nichts. Jetzt an der Uferlinie entlang, es war keine Zeit, das UNESCO Welterbe von Orta san Giulio zu bestaunen, Jubelschreie am Ufer säumten die Wasserstrasse in Richtung Ziel. Die Schlagzahl war inzwischen sehr anspruchsvoll, die Muskeln meldeten sich an. Kurve zur Cannotiere d‘Orta in der Zielbucht. Der URCD auf stattlicher Verfolgungsjagd, die Ziellinie kommt in Sicht. Conny feuert Kommandos und Vertrauen in die Kraft in die Damengruppe, die Mädels gaben alles. Die Körperhaltungen gaben uns Zuschauern am Ufer die Zeichen für die Kraftentfaltung, jetzt wurde das letzte Quäntchen aus den angesäuerten Muskeln gepresst. Sie schossen durch die Zeitabnahme und dahinter kam noch immer lange lange nichts.
So war es der Startplatz 2, der nach der Numero 1 ins Ziel kam. Der Kommentator brüllte die Namen unserer Damen und das „Uhe erre Tschi Diii, Welcome to Italy“ ins Mikrophon, der Jubel war grenzenlos. Nein, war er nicht, die Grenze war die Erschöpfung unserer Amazonen, die grad nicht wussten, ob es gut oder schlecht war. Doch der Platzerhalt ließ bereits erahnen, das es Platz Numero Due geworden ist. Respekt!
Summa summarum haben sie den zweiten Platz aller Damen8er geschafft und noch sieben(!) Männer8er in die Schranken verwiesen.
Vor dem Abreisen hatten wir sodann noch unsere Ehrung Speziale auf dem Radar. Artig aufgereiht wurden wir inmitten der 1er Rennen zum Podest gerufen. Mit viel Shake Hands, riesigen Medaillen und einem jeweils kleinen extra Geschenk für die Damen, gingen die Paparazzi ans Werk und lichteten ab, was hier vor der Linse stand. Die Donne dei Tedeschi.
Und dann war die Luft raus und die Heimreise begann. Dank Filippis Unterstützung mussten wir nichts abriggern, verzurren oder transportieren, wie luxuriös es doch auch sein kann.
Orta Lake Challenge(6Km) am Lago d’Orta, 05. Oktober 2019
Conny Schillinger
Lisa Kemmerer
Kerstin Hartmann
Christina Weidner
Viola Pfersich
Agnes Stützle
Sabine Berthold
Barbara Christ-Noller
Sara Göhring
ci vediamo l’anno prossimo...
(c) 2019 Peter Weidner.
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