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Erbsensuppe auf dem Kanal

von UTE GALLBRONNER

Christian Viedt und seine Ruder-Achter vor Bewährungsprobe in Posen

Nach dem Umsturz im Flaggschiff steht für den Ruder-Achter die Bewährungsprobe an. Es ist die einzige vor den Olympischen Spielen. Für Trainer Christian Viedt und seine Jungs steht viel auf dem Spiel.


Achter-Trainer Christian Viedt gibt auf dem Dortmund-Ems-Kanal den Ton an. Foto: Rolf Kosecki  

Posen. Sie sind heiß auf den Start in Posen, heiß darauf es den Kritikern zu zeigen. Acht junge Männer und der 40-jährige Soldat Peter Thiede am Steuer wollen den sportlichen Beweis dafür antreten, dass sie zurecht in dem Boot sitzen, auf das die Öffentlichkeit blickt. Der Deutschland-Achter soll am 17. August im Shunyi-Park Edelmetall aus dem Wasser fischen. Am besten Gold.

Am 4. Juni hatte die Trainer-Crew einen Schnitt gemacht, die hochdekorierten Recken um Bernd Heidicker ausgemustert. "Wir sind mit 22 Athleten in die Vorbereitung gestartet, und es war klar, dass nur 14 nach Peking fahren. Irgendwann musste es einige treffen. Das es so läuft, hat aber sicher niemand erwartet", blickt Christian Viedt zurück auf nervenaufreibende und schmerzvolle Tage. Denn auch er hat eine neue Aufgabe: Bundestrainer Dieter Grahn zog sich vom Achter zurück, sein bisheriger Assistent trägt nun die Verantwortung.

Die Entscheidung schlug Wellen, die ausgemusterten Ex-Weltmeister fühlten sich gedemütigt,gelten fehlendes Vertrauen. Von "Vergiftung" schreibt gar der Schlagmann des Olympia-Achters von 1992, Roland Baar, in einem offenen Brief. Nicht nur er kritisierte die Entscheidung, für den Weltcup in Posen nicht beide Boote zu melden, sondern bedingungslos auf die neue Crew zu setzen.

"Wenn wir zwei Achter gemeldet hätten, dann hätten sie sich zerfleischt", stellt Viedt klar: "Und außerdem hatte die andere Crew ihre Chancen. Sie hat sie nicht genutzt." Bei den Weltcups in München war das Flaggschiff hinterher gepaddelt, noch deutlicher in Luzern, als man zehn Sekunden hinter den Kanadiern lag: "Außerdem hätten sie sich bei der internen Zweier-Rangliste beweisen können. Aber da haben sie schlechte individuelle Leistungen abgeliefert."

Viedt hat sich für die vier schnellsten Zweier entschieden, zu denen die Radolfzeller Andreas Penkner und Kristof Wilke gehören. "Es muss nicht immer die einzig richtige Entscheidung sein, allein aufgrund der Zweier zu nominieren. Das Boot muss auch harmonieren", sagt Viedt. Ob das klappt, wusste am Tag der Entscheidung niemand, denn bis dahin hatten die acht um Schlagmann Mattias Flach nie in einem Boot gesessen.

Seither wurde auf dem Ems-Kanal die sportlich Harmonie gesucht, die menschlich längst vorhanden ist. Wer sich vorstellt, dass es ständig im großen Boot den Kanal rauf und runter geht, der irrt. "Das wär ja sonst wie jeden Tag Erbsensuppe", erklärt Viedt, an dem seine Jungs vor allem die ruhige und besonnene Art sowie sein fachliches Wissen schätzen. Viele Alternativen hat der 39-Jährige in der Besetzung freilich nicht mehr.

Eigentlich gelten die Rollsitze als verteilt. Natürlich sind Athleten und Trainer angespannt vor der Abreise nach Polen. Auf dem Maltasee werden alle Augen auf sie gerichtet sein. Die Konkurrenz ist überschaubar, nur die Gastgeber und die starken Briten sind da. "Wir sind angetreten den Abstand im Vergleich zu Luzern zu verringern", sagt Viedt.

Gedanken darüber, was ist, wenn es nicht klappt in Posen, gibt es nicht. Zumindest nicht offiziell. "Ich wurde oft gefragt, was ich dann mache. Joachim Löw würde niemand fragen, was er tut, wenn sein Team drei Spiele verliert", sagt Viedt. Abgerechnet wird ohnehin am 17. August am Chaobai-Fluss.

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