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Vier Männer am sportlichen Scheideweg

von UTE GALLBRONNER

Ulmer U23-Ruderer peilen das Ziel Peking aus verschiedenen Richtungen an

Der "Hof des Bundestrainers" hat seine Vorteile - Auge in Auge mit den Konkurrenten.

DORTMUND/ULM. Vier junge Ruderer auf dem Weg nach Peking. Bei den Junioren waren sie gemeinsam erfolgreich, 2008 wollen sie bei den Olympischen Spielen in Peking dabei sein. Vier Karrierewege innerhalb des deutschen Sportfördersystems: Bundeswehr, Zivildienst, Studium, Berufs-Ausbildung.     


Der Ulmer Ruder-Vierer auf neuen Wegen (von links): Urs Käufer, Florian Schercher, Daniel Held und Raimund Hörmann. Archivfoto

Urs Käufer und Raimund Hörmann pinseln im Takt. Was sich seit Jahren im Boot bewährt hat, kann beim Streichen der neuen Wohnung nicht schaden. Die beiden Ulmer, die zu den besten Nachwuchs-Ruderern gehören, bereiten ihren Umzug vor. Sie gehten dorthin, wo die Elite im Riemenbereich trainiert, ans Leistungszentrum Dortmund. Sie blicken der Konkurrenz auf dem Weg nach Peking ins Auge. Florian Schercher, mit Käufer Zweiter bei der U23- WM, und Daniel Held, haben sich anders entschieden: Sie bleiben bei Heimtrainer Christian Viedt.

Die 19-Jährigen stehen an einem problematischen Punkt ihrer Karriere: Um im Senioren-Bereich erfolgreich zu sein, müssen sie noch mehr in ihren Sport investieren. "Wenn es um die berufliche Unterstützung geht, passieren in Deutschland einfach zu viele Fehler. Unsere Gesellschaft begeistert sich nur für Erfolge. Wie die zu Stande kommen ist den Leuten egal", sagt Viedt.

Die Bundeswehr ist ein Weg für die Sportler. 744 Plätze in Sportförderkompanien gibt es, den Ruderern stehen 20 davon zu. Wer sie bekommt, entscheidet der Verband. "Als der Bundestrainer mich gefragt hat, ob das was für mich wäre, hab ich nicht lange überlegt. Schließlich muss ich sowieso zum Wehrdienst", sagt Käufer, der beim wöchentlichen Melden in Holzwickede unter anderem zwei Billardspielern über den Weg laufen wird. Auch sie werden gefördert, ebenso wie Schachspieler und Golfer.

In die WG wird Käufer erst in acht Wochen einziehen. Am Montag muss er erst einmal zur Grundausbildung einrücken. Acht Wochen Wecken um fünf, Märsche, Biwaks, kalte Füße. "Da haben die Jungs immer mit Erkältungen zu kämpfen. Das ist für die Vorbereitung natürlich nicht optimal", befürchtet Viedt, der es ähnlich bei Andreas Penkner erlebt hat. Aber für den Mann aus Radolfzell, der im Vorjahr zur Bundeswehr gegangen ist, hat es sich gelohnt: Ein Leistungssprung brachte ihn nach Athen.

Während Käufer schwitzt, beginnt sein Freund Raimund Hörmann sein Studium. Für Jura in Bochum hat er sich entschieden, der Sport soll aber im Vordergrund stehen. Zur Bundeswehr muss und kann Hörmann nicht, weil ihm ein angeschlagenes Knie keine langen Märsche erlaubt. Auch der Sohn des Doppelvierer-Olympiasieger von 1984 geht den Weg über den "Hof des Bundestrainers". Er sucht die Konkurrenz mit den aus dem Athen-Kader gebliebenen Ruderern und der nachwachsenden Generation. "Da ist aber keiner neidisch auf den anderen", sagt Käufer.

"Es ist sicher das Optimale, wenn die Jungs nach Dortmund gehen, denn im Riemenbereich ist die Zentralisierung extrem", sagt Viedt. Was nicht heißt, dass der Coach die Entscheidung der beiden anderen für schlecht hält. "Man muss das auch wollen, jeden Tag mit seinem Gegner konfroniert zu werden", sagt Viedt. Schercher und Held haben sich dagegen entschieden. Ihr Revier bleibt die Donau, trotzdem haben U23-Bundestrainer Thomas Affeldt und Chefcoach Dieter Grahn die beiden im Blick und arbeiten eng mit Viedt zusammen.

Während Daniel Held die zivile Variante der Sportfördergruppe gewählt hat - er leistet seinen Zivildienst ab und wird fürs Training freigestellt -, geht Florian Schercher wohl den schwierigsten Weg. Der Würzburger hat bei der Firma Evo Bus eine Lehre begonnen, geht wie jeder andere 35 Stunden zur Arbeit. Fürs Training ist die Freizeit da, nur für Wettkämpfe und Trainingslager gibt es Ausnahmen.

In Dortmund werden sich die vier Freunde in Zukunft oft über den Weg laufen, vielleicht auch bald wieder gemeinsam im Boot sitzen. Ob Käufer/Hörmann den Heimvorteil nutzen, wird sich nicht erst im Olympia-Jahr 2008 entscheiden. Die Auslese beginnt viel früher. Alle vier teilen sich den Traum von einem Platz in einem deutschen Riemenboot in Peking. Auch wenn es klappt: Ihren Lebensunterhalt wie die Kollegen anderer Länder, können sie sich damit nicht verdienen. Das müssen sie nebenbei erledigen.

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