Eine Handvoll für Litauen?
HJK
Fünf junge Ulmer setzen sich ein ziemlich hohes Ziel
Ulm - Man fragt sich: kann das noch Spaß machen? Spinnen die? Die Rede ist von fünf Jugendlichen, drei Kerlen, zwei Mädchen. Alle Jahrgang 1984. Alle sonst völlig normal. Was den einen oder anderen jedoch am Verstand dieser Fünf zweifeln lässt ist deren Zielsetzung. Sie wollen bei der Junioren-WM im Rudern vom 7. bis 10. August dabei sein, die in Litauen, genauer in Trakai, zirka 2000 km von Ulm, ausgetragen wird.
Raimund Hörmann, Daniel Held, Urs Käufer (hinten v. links) Caro Leibinger (vorne links) und Nina Hengartner. Foto: Hansjörg Käufer
Nun wäre das nichts außergewöhnliches, würde der Weg dorthin nicht eine enorm aufwendige, ungemütliche Vorbereitung erfordern. Schließlich muss man in Deutschland zu den absoluten Top-Ruderern aufsteigen.
Und so kommt es, dass die Fünf nicht selten als Halb- bis Vollverrückte abgetan werden, sieht man sie beispielsweise bei 10 Grad unter Null in ihren schnittigen Rennbooten auf der Donau rudern. Mitleidig schauen oft ein paar Fußgänger zu, wenn sie vom Floß bei der Adenauerbrücke ihre Boote vor die Hallen tragen um die dort erst mal zu putzen. Und egal ob bei Regen, Schnee oder saumäßiger Hitze, wenn rudern auf dem Trainingsplan steht, geht’s aufs Wasser. Die ergänzende Arbeit an Kraftmaschinen und Gewichten kann ebenfalls nicht unbedingt zur Lieblingsbeschäftigung von Nina Hengartner, Caro Leibinger, Daniel Held, Raimund Hörmann und Urs Käufer gezählt werden.
Doch eins gilt sicher: "Wenn wir nicht konsequent unser Ziel verfolgen, können wirs gleich bleiben lassen", sagt Raimund. Er holte letztes Jahr mit Urs im gesteuerten Zweier die Vizeweltmeisterschaft bei den Junioren. Die Beiden wissen also, worauf es ankommt. Überhaupt sind Raimund und Urs die Hauptauslöser für den Junioren-WM-Boom im Ulmer Bootshaus. Als die im Juni letzten Jahres bei der Deutschen Meisterschaft die WM-Teilnahme perfekt machten, während Caro, Nina und Daniel dort mit dritten und vierten Plätzen vorlieb nehmen mussten, und statt die WM halt nur die Baden-Württembergische Meisterschaft als fraglichen Saisonhöhepunkt rudern durften, war für die drei Daheimgebliebenen klar: im nächsten Jahr legen wir noch eine Schippe drauf, und peilen ebenfalls die Junioren-WM an.
Und so trainiert und ackert in Ulm oder verschiedenen Trainingszentren wie Breisach und München eine vergleichsweise große Truppe für ihr großes Ziel. Trotz der gut 15 Stunden, die Caro, Raimund, Nina, Urs und Daniel in der Woche aufwenden, ist die Stimmung innerhalb der Gruppe dafür prächtig, und irgendwie sieht man den drei Kerlen ihre Schlitzohrigkeit an. Auch Nina und Caro sind keine Kinder von Traurigkeit. Und recht ausgefuchst sind sie alle Fünf. Was den Gehirnen dieser Fünf an zum Teil derben Scherzen entspringt, ihre Ideen, ihre Sprüche sind selten druckreif. So richtig ernst werden sie nur kurz vor einem Rennen. Dann ist wirklich Schluss mit lustig. Konzentration pur gepaart mit einem ordentlichen Schuss Muffe vor der anstehenden Anstrengung, vor der Erschöpfung, dem „kompletten Auskotzen“ wie Urs es nennt, greift dann Raum. Aber sie meistern ihre Aufgaben.
Im Süden Deutschlandes haben sich Nina, Caro, Daniel, Raimund und Urs bisher stets deutlich durchgesetzt, und so verwundert es nicht, dass kurz nach schweren Belastungen die übliche Gruppendynamik wieder einsetzt. Und so stellen sie sich all den Unwägbarkeiten wie Schnee, Eis, Sturm, Regen oder wie zuletzt dem Hochwasser.
Ende April werden die Ulmer in Brandenburg auf den Rest der Republik stoßen. Dort erhalten sie das exakte Feedback ihrer Leistung, und eine Antwort auf die Frage, wie reell die Quali für Litauen in Frage kommt. In München, Köln, Hamburg und Essen folgen den Sommer über weitere entscheidende Rennen. Die Handvoll Ulmer wird das alles sehr ernst nehmen. Und doch geht’s, abgesehen von den vielen Stunden fürs Training, recht normal zu. Sie gehen mehr oder weniger gern ins Scholli, ins Kepler oder in's Hildegard, ziehen sich am Wochenende den einen oder anderen Film im Kino rein, und würzen sich den Trainingsalltag mit mancherlei deftigem Unsinn.
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