WM 2014 in Amsterdam - Vier Ulmer am Start
Auf halber Strecke zwischen London und Rio beginnt nächsten Sonntag (24.8.2014) die Ruder-WM. Über 1100 Athleten aus 60 Nationen verteilen sich auf 445 Boote. Da wird es eng auf der Amsterdamer Bosbaan, der ältesten künstlichen Ruderstrecke. Der URCD ist mit Maximilian Reinelt und Kerstin Hartmann im Achter, sowie Lena Müller im leichten Doppelzweier vertreten. Alle drei Ulmer sehen die WM als wichtige Prüfung auf ihrem Weg nach Rio. Zu dem Trio sprang noch Leonie Pieper auf den WM-Zug auf. Sie startet im leichten Doppelvierer. Diese Bootsklasse gehört nicht zum olympischen Programm, wird deshalb gerne als Sprungbrett für junge Talente genutzt. Die Vorentscheidungen dauern bis am Freitag, am Samstag und Sonntag geht es in den Finals um die Medaillen.
Deutschlandachter will Gold
Im Fokus der Öffentlichkeit steht in erster Linie der Deutschlandachter, dem Maximilian Reinelt nun schon im fünften Jahr in Folge angehört. Von 2009 bis zum Olympiasieg von London blieb der deutsche Achter ungeschlagen. Erst 2013, als die Männer ihren Schwerpunkt auf Ausbildung und Studium legten, riss die Erfolgsserie. Bei der letzten WM in Südkorea reichte es knapp hinter den Briten immerhin zu Silber. Dieses Jahr knüpfte die Truppe aus dem Olympiastützpunkt Dortmund wieder an ihre alten Stärken an. Bei ihren Rennen in Duisburg, Belgrad und Luzern hatten sie die anderen Nationen im Griff. Damit zählen die Männer von Trainer Ralf Holtmeyer (Dortmund) zu den Goldfavoriten. Doch geschenkt gibt es auf der Bosbaan nichts. Einige Nationen wollen nichts lieber als den Deutschlandachter erneut vom Sockel zu hauen. Allen voran sind dies die Titelverteidiger aus Großbritannien. Ähnlich wie 2013 verbuchten sie die Saison über kein herausragendes Ergebnis. Weil sie aber in der Lage sind pünktlich zum Saisonhöhepunkt ihre Bestleistung abzurufen, wird die Crew hoch gehandelt. Mit zum Favoritenkreis zählt der US-Achter. Bei ihrem einzigen Auftritt in Europa, es war der World-Cup in Aiguebelette/Frankreich, gelang den jungen Himmelsstürmern in Abwesenheit der Deutschen ein klarer Sieg vor Großbritannien und Weißrussland. Mit auf die Rechnung gehören die Russen, die dieses Jahr den Achter-Erfolgscoach Mike Spracklen engagierten und bei der EM wie auch in Luzern hinter dem Deutschlandachter den zweiten Platz belegten.
Maximilian Reinelt und seine Kollegen blicken auf eine holprige WM-Vorbereitung zurück. Den ersten Teil absolvierten sie im badischen Breisach. Die ansonsten optimalen Bedingungen dort, waren dieses Jahr durch den stark strömenden Rhein beeinträchtigt. Ist das Wasser unruhig, leidet die Arbeit am Feinschliff. Vor zwei Wochen siedelten die Männer nach Ratzeburg um. Dort mussten sie sich mit kräftigen Winden und hohem Wellengang herumschlagen. Gejammert wird jedoch nicht, im Gegenteil: „Amsterdam liegt nah am Meer, auf der Bosbaan stehen meistens hohe Wellen. Da ist es ganz gut jetzt ähnliche Bedingungen vorzufinden“, sagt der Ulmer Medizinstudent.
Motivation und Stimmung von Reinelt und seinen Kollegen ist bestens. Nach dem WM-Silber von Chungij soll dieses Jahr wieder Gold her. Einen Joker hat der deutsche Achter sowieso im Ärmel: Steuermann Martin Sauer (Berlin), seit 2009 Kopf der Crew und mit allen internationalen Wassern gewaschen. Den Job des angehenden Juristen darf man sich nicht als brüllende Anfeuermaschine vorstellen. Viel wichtiger sind seine taktischen Fähigkeiten. Mit seismographischer Genauigkeit erfasst Sauer Schwächen und Stärken der Gegner, so weiß er die Power seiner Männer genau zu dosieren und an den richtigen Stellen zu entfesseln. Kein Zweiter im internationalen Rennzirkus das so drauf wie der 55kg schwere Taktikfuchs.
Schwere Saison für leichten Doppelzweier
Richtig schwer wird es für die Ulmer Damen. Wie schon in den Vorjahren startet Lena Müller zusammen mit Anja Noske (Saarbrücken) im Leichten Doppelzweier. Für die Ulmerin verlief die Saison 2014 nicht nach Wunsch. Sie musste gesundheitsbedingt einige Rückschläge hinnehmen. Bei der WM-Generalprobe in Luzern fehlte sie. Lena Müller und Anja Noske holten letztes Jahr WM-Bronze, dieses Jahr hatten sie bei der EM in Belgrad im Mai ihren einzigen internationalen Auftritt. Damals holten die Beiden in einem bemerkenswerten Rennen hinter Italien Silber. Nimmt man den sechsten Platz von London dazu, hat das Duo eine gute Flughöhe erreicht. Die in Amsterdam zu halten, wird nicht einfach. In Luzern war im leichten Doppelzweier ein enormer Anstieg des internationalen Niveaus zu beobachten, der sich vor allem an der Entmachtung der Weltmeisterinnen aus Italien festmachen lässt. Gleich drei Crews, Großbritannien, Australien und Kanada, ruderten an Laura Milani und Elisabetta Sancassani aus Italien vorbei und beendeten deren lange Dominanz. Bleibt die Frage, ob die Deutschen nach den vielen Ausfällen an ihre Leistung von Belgrad anknüpfen können. Trainer Uwe Bender (Saarbrücken) sieht vor allem die Überseenationen stark im Aufwind. 22 Nationen sind im leichten Doppelzweier gemeldet. Der Weg ins Finale wird also sehr steinig.
Frauenachter will ins Finale
Nach fünf Jahren im Zweier-ohne wechselte Kerstin Hartmann dieses Jahr in den Frauenachter. Die Damen holten bei der EM hinter Rumänien und Großbritannien und Bronze landeten in Luzern auf dem vierten Platz. An starken Nationen fehlt es bei der WM nicht. Allen voran dürfte den US-Girls, die in London und bei der letzten WM unangefochten zu Gold ruderten, der Titel nicht zu nehmen sein. Aufgrund ihrer Saisonergebnisse gehören Kanada, Rumänien, Großbritannien, China und die Gastgeber aus den Niederlanden in den Kreis der Medaillenkandidatinnen. Da wird es für Hartmann und Co richtig schwer, ins Finale zu kommen.
Chance für Leonie Pieper
Während der Vorbereitung in Ratzeburg sprang als vierte Ulmerin Leichtgewicht Leonie Pieper auf den WM-Zug auf. Die U-23-Ruderin bot sich dort mit guten Leistungen für den leichten Doppelvierer an. Darauf hin wurde sie mit drei anderen Talenten nominiert. Im leichten Doppelvierer fehlen internationale Vergleiche. Die oft klammen Nationalverbände beschränken sich in den nicht olympischen Bootsklassen, hierzu zählt der leichte Doppelvierer, auf die WM-Teilnahme.
Letztes Wochenende absolvierten allen deutschen Boote Testrennen, und die fielen bei allen Booten mit Ulmer Beteiligung gut, im Fall des Deutschlandachters sogar glänzend aus. Mit diesem Schiebewind versehen, reiste die Nationalmannschaft am Mittwoch nach Amsterdam und macht sich dort mit der Bosbaan vertraut.
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