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Ruder-WM: 5 x Gold und 1 x Bronze für Deutschland . . .

. . . aber nicht 2015, sondern 1962. Und warum genau in jenem Jahr? Während 1961 bereits die 50. Europameisterschaft ausgefahren wurde, gab es im darauf folgenden Jahr eine Premiere: die 1. Weltmeisterschaft 1962 im Rudern – auf dem Rotsee in Luzern.


Das Organisationskommitee von 1962                               Bilder: Ruderwelt Luzern

Keine Frauen und Leichtgewichte
Was war damals anders? Frauen durften damals bei dieser neuen WM nicht starten. Es waren außerdem fast nur Vereinsmannschaften am Start. Im Deutschlandachter von 1962 saßen zum Beispiel nur Ruderer des Ratzeburger RC. Die britische Achtermannschaft wurde komplett vom Molesey Boat Club gestellt, der in London an der oberen Themse bei Richmond unweit von Hampton Court seinen Sitz hat, dem Palast Heinrichs VIII. Erst "Ruderprofessor" Karl Adam verfolgte die Strategie, wirklich die besten Ruderer des Landes in ein Boot zu holen.

Erst ab 1974 fand die WM jährlich und auch für Frauen statt. Ab 1976 durften endlich auch Frauen bei der Olympiade mitrudern, damals in Montreal, darunter auch unsere "Frau Ewa" – Eva Nitschke, damals noch Eva Dick. Damit verschwanden allerdings die seit 1893 stattfindenden Ruder-Europameisterschaften bis 2006 in der Versenkung bis zu der Wiedereinführung 2007. Bis nach 1962 leichte Ruderer an den Start gehen durften, dauerte es nochmals eine gefühlte Ewigkeit.

Gesamtdeutsche Mannschaft
Damals war nur eine gesamtdeutsche Mannschaft am Start erlaubt d.h. in jeder Bootsklasse musste eine Ausscheidung gefahren werden zwischen Mannschaften aus der damaligen BRD und der damaligen DDR. Bei der Olympiade gab es erst ab 1968 getrennte deutsche Mannschaften. 1962 kamen 6 deutsche Mannschaften aus dem Westen, einziger Ostvertreter war Achim Hill im Einer aus Berlin-Köpenick, der jedoch im Hoffnungslauf scheiterte. Er ist im August 2015 im Alter von 80 Jahren gestorben.


Achim Hill                                                Bild: Rudersport, Heft 27, 1962

Bootsklassen
Eine rare Spezies bei der WM waren damals die Skuller. Es standen nur 3 Rollsitze zur Verfügung – im Einer und Doppelzweier. Und der Doppelvierer – Fehlanzeige. Von 7 Bootsklassen waren 5 den Riemenruderern vorbehalten mit insgesamt 20 Rollsitzen im Zweier mit Steuermann als sogenanntem Wassertaxi, dem Zweier ohne, dem Vierer mit und ohne Steuermann und dem Achter mit Steuermann.


Jedes Riemenboot aus Deutschland gewinnt bei der WM 1962 eine Goldmedaille

Medaillen
1962 gab es für Deutschland bei der WM eine glänzende Medaillenbilanz: Außer im Einer gab es eine Bronzemedaille im Doppelzweier und darüber hinaus eine Goldmedaille in allen 5 Riemenklassen.

Achter-Duelle
Am Start waren neben den deutschen Ruderern vom Küchensee in Ratzeburg, die UdSSR, Italien, Großbritannien, Frankreich, Rumänien, die Niederlande, Kanada, Australien, Jugoslawien, Dänemark, Japan, die Tschechoslowakei, Polen, die USA und die Schweiz. Gab es 1962 bereits die große Rivalität zwischen dem britischen und dem deutschen Achter? Die Ruderer aus dem Vereinigten Königreich schieden in einer Zeit von 6:28,75 im Vorlauf und 6:15,45 im Hoffnungslauf aus.

Bericht "Rudersport"
Für den "Rudersport" (Heft 27, 80. Jahrgang vom 14. September 1962 aus dem Privatarchiv von Hans Gog), amtliches Organ des deutschen Ruderverbandes mit dem Untertitel "Illustrierte Fachzeitschrift" kommentiert Paul Elschner das Achterfinale: "Dreimal begeben sich die Mannschaften an den Start, nachdem beim ersten Ablauf Italien und beim zweiten die Sowjetunion zu früh ihren Startplatz verlassen. Wie aus einem Guss tauchen dann 48 Ruderblätter ins Wasser des Rotsees, wobei der Achter aus Ratzeburg als Favorit des Rennens auf den ersten 500 m ein Tempo von 50 Schlägen rudert. Ein erbitterter Kampf entbrennt auf der Strecke und beim Endgefecht zwischen Deutschland und Russland. Die beiden großen Gegner durchmessen den 500-m-Punkt in genau der gleichen Zeit (1:24,23). An der 1000-m-Marke haben sich die Deutschen , denen der Leningrader Achter härtesten Widerstand leistet, den Vorteil einer halben Länge verschafft, und an der 1500-m-Marke ist die Differenz die gleiche. Bis auf 36 gingen die Ratzeburger herunter. Gewaltige Arbeit leisten die beiden Mannschaften im Endspurt. Ein recht schnelles Rennen bei einer Windstärke von 2,5 wird beendet. Das Siegerboot aus Deutschland gewinnt mit einer dreiviertel Länge vor der starken Russenmannschaft und den bis auf eine halbe Länge auflaufenden Franzosen. Mit den gleichen Abständen folgen Italien und Australien. Die Studenten-Acht aus Vancouver (Kanada), von der man wissen wollte, dass sie sehr schnell sei, kam über den letzten Platz nicht hinaus."

1. Deutschland 5:50,83
2. Sowjetunion 5:53,56
3. Frankreich 5:55,36
4. Italien 5:57,10
5. Australien 5:58,85
6. Kanada 6:00,15

Zum Vergleich: Bei der WM 2015 braucht der Deutschlandachter für die 2.000 m eine Zeit von 5:36,36.

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