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Para-Vierer

mit Inga Thöne

ist Para-Team

2022

Inga Thöne und der Para-Vierer mit Siegtrophäe 2022 (Foto: Ralf Kuckuck, DBS)

GESCHRIEBEN VON CAROLINE DAKE

Was für ein Jahr liegt hinter Inga Thöne und es endet für die Steuerfrau des paralympischen Mixed-Vierers mit der Auszeichnung "Para-Team des Jahres" bei der Wahl zur "Para Sportler*innen des Jahres" des Deutschen Behindertensportverbands. Aber der Reihe nach und hätte man Inga am Anfang der Saison nach den Zielen gefragt, dann hätte sie mit Sicherheit sich den Saisonverlauf so nie vorgestellt.

Dass das Team in ganz ordentlicher Verfassung in die Saison startete, zeigte schon der Sieg beim zweiten Weltcup im Polen, als das Team um Inga starke Nationen hinter sich lassen konnte. Auch der dritte Platz bei der Heim-EM in München gab dem Team Motivation in Hinblick auf die WM. Und obwohl die WM-Vorbereitung alles andere als gut verlief – ständig gab es Trainingsausfälle wegen Krankheit, und schließlich musste die Mannschaft sogar an einer Stelle noch mal umbesetzt werden. Aber diese Unruhe tat der guten Stimmung im Team keinen Abbruch und so konnte das Team sich sogar zum Saisonhöhepunkt noch steigern und bei den Weltmeisterschaften die Silbermedaille errudern.

Die Para-Ruderevents sind mittlerweile ein fester Bestandteil im international Ruderzirkus und finden immer zusammen mit Welt-und Europameisterschaften statt. Inga Thöne ist schon seit 2016 fester Bestandteil der deutschen Para-Mannschaft und konnte bei den Paralympischen Spielen 2016 in Brasilien den vierten Platz belegen. In der Bootsklasse des Mixed Vierers mit Steuermann (PR3Mix4+) starten Athleten mit körperlichen Beeinträchtigungen und blinde oder sehgeschädigte Sportler gemeinsam. Hier wird die Ruderbewegung unter Einsatz der Arme, des Rumpfes und der Beine ausgeführt.

Inga Thöne startete ihre Karriere als Steuerfrau im Ulmer Ruderclub Donau. Nach dem Abitur wurde sie vom damaligen U23-Bundestrainer Peter Thiede nach Dortmund geholt, um die männliche U-23 Mannschaft zu unterstützen. Im täglichen Training steuerte sie also die Männer in Dortmund, fuhr dann aber 3x mit den Frauen zur U-23 WM und holte zweimal Bronze und einmal Silber. Nebenher absolvierte sie in Dortmund ein Studium der Architektur, weil ja mit dem Rudern kein Geld zu verdienen ist.

Nach drei erfolgreichen Jahren als Steuerfrau des U23-Frauenachters wollte der Sprung in den A-Bereich nicht so richtig klappen. Die vakante Stelle an den Steuerseilen des A-Achters wurde nach Rücktritt von Laura Schwennsen nicht an Inga, sondern an Larina Hillemann vergeben.
Aber die nächste Chance für Inga kam schon bald, und zwar als der Trainer des Para-Teams bei ihr anrief und sie fragte, ob sie die Mannschaft nicht mit ins Trainingslager begleiten möchte. Die ganze Mannschaft war sofort begeistert von Ingas Steuerfertigkeiten und so startete sie ihre Karriere als Steuerfrau des paralympischen Mixed-Vierers. Der erste Stopp war schon ein Jahr später – die olympischen Spiele in Rio.

Inga Thöne und der Para-Vierer nach dem Gewinn der Silbermedaille bei der WM 2022 (Foto: meinruderbild.de/Detlev Seyb)

Inga trauert der vermeintlich verpassten Chance die Steuerfrau für den Frauenachter zu werden nicht hinterher. Im persönlichen Gespräch erzählt sie, was den Unterschied ausmacht. "Als "normale" Steuerfrau endet die Aufgabe mit dem Anlegen und sobald das Boot im Lager liegt. Als Steuerfrau einer Para-Mannschaft ist das nicht so. Abends im Restaurant z.B. muss ich schon mal die ganze Speisekarte vorlesen. Ich bin die Begleiterin des ganzen Teams und meine Teammitglieder müssen sich auch außerhalb zu 100% auf meine Unterstützung verlassen können." Sie erzählt weiter: "So entstehen aber ganz andere Beziehungen zwischen den Team-Mitgliedern und jetzt nach ein paar gemeinsamen Jahren Erfahrung, weiß z.B. auch, was abends im Restaurant gerne gegessen wird, so dass ich die Bestellung der anderen auch ohne Vorlesen aufgeben kann, weil ich die Vorlieben für besondere Speisen bereits gut kenne."

Ein großer Unterschied zum "normalen Rudern" ist auch, dass alle Athleten ganz normale Vollzeitjobs haben. So arbeitet Inga seit Ende des Studiums als Bau-und Projektmanagerin. Auch die anderen Teammitglieder arbeiten Vollzeit; Kathrin Marchand als Ärztin im Krankenhaus, und Susanne Lackner als Professorin an der Uni. Zeit zum Training bleibt nur morgens vor und abends nach der Arbeit. Für gemeinsame Trainingslager nimmt Inga über das Jahr verteilt den ganzen Urlaub. Inga sieht das aber nicht als Nachteil, sondern sagt: "Ich sitze im schlausten Vierer der Welt und wir haben außerhalb des Trainings gute Gespräche, die sich nicht um das Rudern drehen und ich habe viel von meinem Team in allen möglichen Bereichen gelernt". Die gemeinsame Trainingszeit ist deshalb sehr besonders und wird immer sehr effektiv genutzt.

2022 war schon ein besonderes Jahr, auch weil kurz vor der EM eine Ruderin plötzlich ausfiel und ersetzt werden musste. Im Para-Bereich ist das aber nicht so einfach, weil es nicht so viele Athleten gibt und weil sie auch immer in der Zertifizierung noch zu den anderen Team-Mitgliedern passen muss. Das jetzt im Detail zu erklären, sprengt hier den Rahmen. Kurz gesagt, es können nicht zwei mit der gleichen Behinderung im Boot sitzen, oder zwei Blinde dürfen z.B. nicht den gleichen Blindheitsgrad haben. Deswegen ist es immer schwierig kurzfristig Ersatz zu finden. Das Team dieses Jahr hatte Glück, dass mit Kathrin Marchand eine erfahrene Ruderin rechtzeitig zur EM zertifiziert werden konnte. Für uns Ulmer ist sie keine Unbekannte, war sie doch auch schon in Rio dabei, und zwar im Zweier-Ohne mit Kerstin Hartmann. Ein Schlaganfall vor zwei Jahren lähmte eine Seite und sie hat seitdem auch mit einer Sehbehinderung zu kämpfen. Die Lust am Rudern und Leistungssport hat sie aber nicht verloren, so dass sich über das Para-Rudern interessierte. Was ein Glück für Inga und die restliche Mannschaft. Inga sagt: "Ihre ganze Erfahrung aus ihrer langen Ruderkarriere hat sie mit in unsere Mannschaft gebracht und so unser Team als Schlagfrau ein großes Stückchen schneller gemacht."

Ob Inga 2024 in Paris nochmal an den Start geht, weiß sie jetzt noch nicht, sie will so lange weitermachen, wie es ihr Spaß macht und solange sie für das Para-Team eine Stütze sein kann. Wir drücken der sympathischen Sportlerin die Daumen für die nächste Saison und freuen uns, wenn sie uns mal wieder in Ulm besucht.

 INFO  Bericht rudern.de