Eglisau – keiner zwingt Euch! Oder?
Eglisau – "Die härteste Regatta der Schweiz", so die Eigenwerbung. Was das bedeutet, sollte das resolut2-team erfahren - beschauliche Adventszeit sieht anders aus.
Am 4. Dezember 2011 auf dem Rhein, 11 km, bei schneidendem Wind, leichtem Nieselregen, jahreszeitlich entsprechender Wassertemperatur. Üblicherweise spielt die Wassertemperatur beim Rudern eine untergeordnete Rolle. Spannend wird es allerdings, wenn zum Einsetzen des resolut 2-Achters kein Floß vorhanden ist. Dann heißt es nicht "Dancing in the Rain", sondern "Dancing in the Rhein" und das bis über die Knie. Auf alle Fälle wird man wach. Wenigstens sind wir nicht allein. Ingesamt gehen 38 Achter an den Start.
Eglisau/Schweiz am Rhein, eine Teilregatta des Alpen-Cups. Dazu gehören fünf Langstreckenregatten in Deutschland/Österreich/Schweiz. Bei jeder Mannschaft kommen die 3 schnellsten Rennen in die Teamwertung. Wir wollen ihn wieder, den 19 kg schwerer Granitbrocken - die Siegertrophäe mit den charakteristischen drei Zacken, die wir schon vor zwei Jahren als Wanderpreis in den URCD geholt hatten. Laut Veranstaltermitteilung entscheidet es sich heute, hier am Rhein: Erster Wiener Ruderclub Lia oder der URCD. Wenn wir heute gewinnen, sind wir mit Lia punktemäßig gleichauf. Die anderen Mannschaften – chancenlos, wobei nicht alle im Rahmen des Alpen-Cup starten, aus nahe liegendem Grund etwa die Holländer, oder Krefeld.
Wir haben, für uns nicht ganz überraschend, noch keinen Steuermann/frau. Einen Tag vor dem Rennen findet man üblicherweise jede Menge Steuerleute - vor allem im Winter, bei Minusgraden! Der Griff in den Pool unserer Steuermäuse blieb also erfolglos. Deshalb leichtes Aufatmen am Freitagabend: "Joshua steuert morgen!" Gefolgt von der nächsten Botschaft: "Jules kann wegen Rückenschmerzen nicht mitfahren!" Routiniert gehen einige Mails und Telefonate hin und her, dann steht das resolut2-Team, das in Eglisau antritt, um alles zu geben: Werner Strassner, Martin Grimmeiß, Torsten Aurich, Mike Dauser, Michael Leibinger, Philip Höfer, Robin Ehrminger, Uli Steinacker und das Steuer bedient Joshua Büschl.
Die Strecke kennen wir nur aus Google Earth: Einige Kurven, dabei eine 180° -Kurve und verschiedene Strömungsverläufe, Untiefen und Sandbänke. Ausgestattet mit einem GPS des Veranstalters rudern wir nach dem "Einwassern" Rheinaufwärts in die Wartezone oberhalb des Starts. Dass wir dabei den "Rhein vermessen", schreiben wir den starken unterschiedlichen Strömungen zu. Nach dem fliegenden Start ging es mit einem 30-iger Schlag auf die Strecke. Nach der ersten Kurve verwandelte ordentlicher Gegenwind den bis dahin relativ glatten Rhein in einen ordentlichen Acker. Die Wellen und der Wind machten uns so zu schaffen, dass wir nicht mehr über einen 28-iger Schlag kamen. Unser Fahrkurs war, gelinde gesagt, zackig und machte auch vor einer kleineren Sandbank nicht halt. Dem Knirschen unter dem Heck folgte eine robuste Ermahnung des Steuermanns durch den Schlagmann, dann ging es mit zusammen gebissenen Zähnen weiter, dem ersehnten Ziel entgegen.
Nach 40,25 Minuten die erlösende Presslufttröte, ausrudern und das Boot aus dem Wasser. Da sahen wir die Bescherung. Beim "Einwassern" hatten wir offensichtlich Grundberührung und die Finne des resolut2-Achters war in einem 90°-Winkel abgeknickt. Kompliment an unseren Künstler am Steuer, dass er mit diesem Handicap meistens die Ideallinie getroffen hat.
Vor der Kälte flüchteten wir in unseren nassen Klamotten in das Festzelt des Veranstalters, in dem permanent die Heizung ausfiel. Duschsachen, Wechselkleidung, Geld, Essens- und Getränkebons, Handy – alles war im Clubbus, am Start, 11 km entfernt. Unser Busrückholer kam und kam nicht.
Frierend, eiskalt und durstig und hungrig beobachteten wir mit rauchenden Nasenlöchern die andern – besser organisierten Teams neben uns, die es sich geduscht, in warmen Kleidern mit warmen Essen und Wein gut gehen ließen. In der Not machten wir uns über die liebevoll arrangierte Tischdekoration her, ließen dabei auch andere Tische nicht aus.
Als unser Fahrer endlich kam, war das Fest aus, wir immer noch hungrig und durstig und der Alpencup übergeben. Nicht an uns, sondern die Lia Wien. Sie waren 22 Sekunden schneller. Gratulation – aber nächstes Jahr sehen wir uns wieder, auch in Eglisau, der härtesten Regatta der Schweiz. Jetzt wissen wir warum.
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