Zum Hauptinhalt springen

Nachruf Karlmann Geiß

Ehrenmitglied Karlmann Geiß
* 31.5.1935   † 4.6.2025

  

 

Der Ulmer Ruderclub Donau e.V. trauert um sein Ehrenmitglied

Dr. h.c. Karlmann Geiß

31.5.1935 - 4.6.2025

Karlmann Geiß war von 1984 - 1988 Vorsitzender unseres Vereins. In seine Amtszeit fiel das 100-jährige Vereinsjubiläum, das er mit viel Engagement zu einem einmaligen Ereignis in der Vereinsgeschichte werden ließ.

Sein Gerechtigkeitssinn und seine pragmatische Art machten ihn zu einem großen Vorbild für alle unsere Mitglieder.

Wir werden ihm ein ehrendes Gedenken bewahren.

Der Vorstand des Ulmer Ruderclubs Donau e.V.


Vorstand und Jubiläumskomitee 1987 mit Vorsitzendem Karlmann Geiß

Karlmann Geiß - Vorstand im URCD

geschrieben von Karlmann Geiß

Männergespräch I
Alles begann mit einem Herrenessen. In ersten Sondierungen der Senioren um Erich Schwaderer, Hermann Kälbling und Fritz Scheuffele hatte ich leichtfertig die Bereitschaft signalisiert, mich, wenn es denn sein müsste, in den Dienst nehmen zu lassen, allerdings nicht ohne Bedingung. Nur im Kleeblatt, d. h. wenn auch die Freunde Dr. Ulrich Gaissmaier und Dieter Schnarrenberger als Vize mitmachten, wollte ich antreten. Jetzt saßen wir alle drei hoch über dem Münsterplatz im vierten Stock bei Erich Schwaderer an gastlicher Tafel und neuerlich appellierte und überzeugte Erich in gewohnter Weise. Dass wir Berufe hätten, dass wir darüber hinaus Familienväter seien, hat uns nicht geholfen, ebenso wenig der Hinweis, dass es im Club weit naheliegendere Kandidaten gäbe. Wir hatten in den frühen 50er Jahren durch die Schüler- und Studentenjahre hindurch das schöne Leben im URCD genossen, dort Vieles erlebt, gelernt und an Schärfung von Talent und Lebensart mit hinaus auf die eigenen Wege genommen. Jetzt in der mittleren Generation galt es, auch einmal Pflichten zu übernehmen und tätigen Gemeinsinn zu zeigen. Was hätte man dagegen auch einwenden wollen?

Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf
Kurz darauf, in der Generalversammlung 1983 gewählt, war der Anfang, eingerahmt von versierten Altvorstandsmitgliedern, ausgesprochen leicht und angenehm. Schon im ersten Auftakt der neuen Vorstandschaft bestätigte sich an uns, was bereits die alten Griechen wussten: Die wichtigste Kunst im Leben ist die Kunst, Glück zu haben. Ein Ruderclubvorstand muss nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein, um unverdrossen zu ernten, was er nicht gesät hat, getreu dem Bibelwort, der Herr gibt es den Seinen im Schlaf. Eine solche Glückskonstellation schenkten uns im August 1984 die XXIII. Olympischen Spiele in Los Angeles. Unsere Topaktiven Raimund Hörmann und Dieter Wiedenmann hatten in Los Angeles gemeinsam mit den Ingelheimern Michael Dürsch und Albert Hedderich den Olympiasieg im Doppelvierer erkämpft - mit knappem Vorsprung im Finish.

Die Stadt Ulm, Söflingen und die Clubfamilie feiern die Olympiasieger
Ein dem Anlass angemessener Empfang war fällig. Der Vorstand hatte einen ersten Probelauf der Organisation eines üppigen Clubfestes. Natürlich pressierte alles und die Zeit war knapp. Schon war ein langer Autokorso zur Abholung der Heimkehrer zum Flughafen Stuttgart aufgebrochen. Großer Bahnhof in der Empfangshalle. Noch heute sehe ich sie durch die Flügeltüren kommen, die jungen Helden, stolz und strahlend, "So sehen Sieger aus", hätte man gesagt, wäre der Slogan damals schon erfunden gewesen. Ein paar Takte dahinter schlendert Kraft-Otto Steinle, Coach und Meistertrainer, einer der Väter des Erfolgs. Wie so oft schon hält er sich im Hintergrund, lässt seinen Siegern den Vortritt, für sich selbst das Rampenlicht eher meidend. Ihnen gegenüber in Position der vollständig angetretene Vorstand, umringt von zahlreichen Fans und Mitglieder vor Spruchbändern und Plakaten, mit üppigen Blumensträußen im Arm wohl präpariert, Glückwünsche und große Worte schon auf der Zunge. An der Zahl der Fahrzeuge im Korso war unschwer abzulesen, dass beim Empfang im Ruderclub alles, was Beine hat, präsent sein werde, um die jungen Olympier rechtschaffen hochleben zu lassen. Die ganze Clubfamilie war erschienen, feiernd, lachend begeistert und hoch gestimmt. Ganz ersichtlich kann gemeinsam erlebte Freude fast genauso beflügeln, wie gemeinsam errungener Erfolg. Der Empfang der Städte im Ulmer Rathaus stand dem in nichts nach. Vor den Repräsentanten des Ulmer Sports schenkten gut gelaunte Oberbürgermeister reich aus mit Lob und goldenen Reden für die Siegreichen, mit Förderversprechen für den URCD und nachdem sie sich je ein großes Stück von der Erfolgstorte für die Städte abgeschnitten hatten, mit Brezeln und Wein für das zahlreiche Ulmer Publikum. Der Tag des Feierns schloss mit einem weiteren Höhepunkt. Am Abend zogen die Matadore mit Gefolge unter lebhafter Beteiligung der Eingeborenen in Söflingen ein zur gemütlichen Hocketse bei Speis und Trank im Hörmannschen Betrieb und bis spät in der Nacht waren Ulmer Bürger, Sportsmänner und Honoratioren brüderlich vereint. Ernst Ludwig, entspannt wie selten, Udo Botzenhart, mit dem Hut im Genick und seinen schwäbischen Spruchweisheiten auf den Lippen nebst der halben Vorstandschaft gehörten nach langer Nacht mit zu den Letzten und wieder einmal galt: "Es fing schon an zu tagen, als er sein Heim erblickt..". Die Lokalzeitung schrieb später, Ulm habe die Olympiasieger geradezu triumphal empfangen. Wir und die Clubmitglieder sahen das auch so und nicht einmal die notorischen Pressenörgler behaupteten dieses Mal, die Presse neige zu Übertreibungen.

Alltag
Bald schon hatte uns der Alltag wieder eingeholt. Wir lernten die allbekannten Routinegeschäfte der wiederkehrenden Kette von Aktivitäten, Anlässen und Festen im Ablauf des Ruderjahres kennen, natürlich aber auch, weniger erwartet, Neuland: das Wunder der Vielfalt unter einem Dach. Naiv, wer glauben wollte, die klassischen Clubmitglieder seien von stets gleichen Interessen und Wünschen geleitet. In verschiedenen Kleinfamilien und Sympathiegemeinschaften lebt ein Club. Hier entscheidet sich, ob sich die Mitglieder wohl fühlen. Zufriedenheit in den Gruppen heißt so das Glück der Clubfamilie im Ganzen.

Identifikationspunkt Leistungssport
Andererseits wo Licht ist, ist auch Schatten und einfacher macht die Vielzahl der Gruppen die Vorstandsarbeit nicht. So kann es schon schwierig sein, allseitigen Konsens zu erzielen in der Ewigkeitsfrage, liegen Schwergewicht und zentraler Identifikationspunkt des Clubs im Hochleistungssport oder im Breitensport oder in der Dauerdiskussion, wie man die Gewichte zwischen sportlichen Belangen und gesellschaftlich-kommunikativen Aktivitäten richtig und gemeinverträglich ausbalanciert. Und wo Gruppen sind, sind natürlich immer auch Revierverhalten, Rangbedürfnisse und Statusbehauptung unterwegs. Wie im Verhältnis der Clubmitglieder unter einander, so auch zwischen den Gruppen, das Herz macht Unterschiede. Man ist sich in durchaus unterschiedlicher Weise zugetan. An den einen leidet man, die anderen kann man aufs Beste leiden. Fast nie, aber doch bei ganz seltenen Gelegenheiten ist dann auch einmal der Jahrmarkt der Eitelkeiten nicht weit, denn es soll schon vorgekommen sein, dass sich der eine oder die andere etwas sehr wichtig nimmt und, wenn solches Bedürfnis ungestillt bleibt, dem Hang erliegt, beleidigt, zumindest aber verstimmt zu sein. Natürlich muss dann der Vorstand her. Hier die richtige Lösung zu finden, kann oft schwierig sein, doch gelingt es, erlebt man ein wenig das Glück des Bauern, der die störrische Kuh trotz allen Sträubens am Ende doch wieder in den Stall bugsiert hat.

Freude mit und ohne Grenzen
Wie der Mensch nun einmal gebaut ist, sind es oft die kleinen Freuden, die uns in Erinnerung bleiben. Eine gut gelaufene Regatta mit überraschenden Rennsiegen, ein anerkennendes Wort oder gar eine - natürlich immer begründete - Anerkennung auf dem Weg zur Vorstandssitzung, eine unerwartete Spende oder eine erwartete, die höher ausfällt, das sind die kleinen Sternstunden. Nicht immer indes sind die Ereignisse, die das Gedächtnis festhält, uneingeschränkt erfreuliche. Man ist im Vorstand froh und stolz, wenn die Abteilungen in Eigenregie mitziehen. Die Freude hält sich allerdings in Grenzen, wenn unsere sparsamen Schwaben auf der Rückfahrt von der Stämpfli-Werft einen Vierer unerlaubt, aber nicht unentdeckt am Zoll vorbeiziehen und die zollamtlichen Nachermittlungen den Präsidenten des Landgerichts in einige Verdrückung bringen. Nicht anders auch, wenn der komplette Satz der Einladungen zum Ruderclubball nach der Unterschrift beim Landgericht versehentlich in die Mühlen der Bürokratie gerät und statt bei den Mitgliedern Tage später beim Oberlandesgericht in Stuttgart in der Dienstpost landet.

100 Jahre Ulmer Ruderclub
Das zweite Großereignis unserer Amtszeit war Vorstandslast und Vorstandsfreude in einem. Auf der Agenda stand bald das hundertjährige Club-Jubiläum des Jahres 1987. 
In der Wiederbegegnung mit dem Hundertjährigen zieht natürlich ein ganzer Strauß von Erinnerungen vorbei, freudige, aber auch andere. Dafür ein kleines Beispiel. Wir hatten die Jubiläumsfeierlichkeiten am Vortag mit der Eröffnung der Ausstellung "Rudern in der Kunst" im Vortragssaal der Ulmer Volksbank begonnen, hatten Hans und Lisel Aicham bei der Übergabe der Sammlung "Feldpostbriefe des URCD 1940 – 1945" gehört und hatten erstmals wieder das dank der Großzügigkeit von Jürgen Lang repatriierte Prunkstück der Ausstellung, das Goldene Skiff angesehen im zufriedenen Kreis der Kunst- und Kulturbeflissenen. Jetzt, tags darauf war der offizielle Festakt im Saal des Edwin-Scharff-Hauses angebrochen. Die vorderen Reihen voll mit Offiziellen aus Kommunen, Ruder- und Sportverbänden, Kammern und Banken und auch des übrigen im Saal volle Besetzung. Ich hatte den Part des Festredners übernommen und dieserhalben einen langen Redetext formuliert, der dem Anlass entsprechend literarisch gehoben, mit dem bekannten Satz der Josephslegende, "Tief ist der Brunnen der Vergangenheit" beginnen sollte.

Die Kette der Grußworte war vorüber, die Reihe an mir. Oh, freudige Überraschung: Der Festredner war da, der Redetext aber war weg und ist bis heute aus der Tiefe der Vergangenheit nicht mehr aufgetaucht. Jetzt war Holland in Not. Ich musste frei ins Blaue hinein improvisieren und dabei tunlichst nicht straucheln. In solchen Momenten der Panik steht bei mir, Gott sei Dank, der Angstschweiß nicht auf Stirn, sondern er tropft mir diskret hinter den Ohren in den Kragen, und so verließ wenig später, als gemessen höflicher Beifall im Rund erklang, ein gerade noch einmal Davongekommener das Rednerpult, nass in seinem Hemde, aber erleichtert, dass fast keiner etwas gemerkt hatte. Weiter in der Festesfolge des großen Tages, rasch noch ein fälliger Kleiderwechsel, schwarze Schleife statt silberner Krawatte, und das Finale wurde gefeiert. Hinein ging es in die jetzt gänzlich ungetrübten Freuden des großen Jubiläumsballs, zugleich glanzvolles Fest der verehrlichen Clubfamilie wie Heerschau der Reputation des URCD in der Doppelstadt.

Männergespräch II
Als es wieder Morgen wurde, war eines unserer Hauptanliegen erfüllt. Ein wenig müde geworden und voll der Überzeugung, dass uns jetzt eine Auszeit zustünde und auch dem Club gut täte, spähten wir nun alsbald im Kreis der Vierzigjährigen nach hoffnungsvollen Führungskräften und eventuellen Nachfolgern in Vorsitz und Vorstand. Nach einiger Zeit hatten wir Glück und Verstand. Und so stand wie zu Beginn auch am Ende wiederum ein Männergespräch. Man traf sich bei mir im Justizpalast an der Olgastraße und wir sprachen miteinander gemäß dem Bibelspruch "von Angesicht zu Angesicht, wie der Freund dem Freunde spricht" und als wir auseinander gingen, hatte der Club einen überzeugenden, allseits beliebten jungen Nachfolgekandidaten und Michael Leibinger nach der Wahl in der Generalversammlung 1988 die schöne Last des noch immer besten Vereinsvorstandsamtes in Ulm und ich für meinen Teil konnte ruhigen Gewissens meinen neuen Richtergeschäften beim Oberlandesgericht in Stuttgart nachgehen, versehen mit einem Bündel schönster Erfahrungen, darunter vor allem der Bekräftigung dessen, dass der tätige Mensch den Ertrag seiner Aktivitäten, seinen Spaß und seine Befriedigung nicht immer nur in Beruf und klingender Münze suchen sollte.

Karlmann Geiß erhält die Ehrenmitgliedschaft vom URCD beim Anrudern 2019