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Lianesen, Normannen und Piraten - Das Blaue Band vom Wörthersee 2010


Ab durch die Hecke: Markante Werbung beim RV Albatros in Klagenfurt

Als Ulmer Flussruderer ist das Rudern auf einem großen See etwas ganz besonderes, dazu noch in einem Rennen über 16 km. Dieses Erlebnis bietet der Wörthersee in Kärnten, ein Ruderrevier in einer Gegend, wo andere Urlaub machen. Durch die windgeschützte Lage und die geringe Wasserumwälzung weist der Wörthersee als Alpensee Wassertemperaturen zum Teil von über 25° im Hochsommer auf. In Ulm werden wir zwar von der Iller auch mit genügend Alpenwasser aus dem Allgäu beliefert, das mit Temperaturen von unter 20° im Sommer eher hervorragend zur Abkühlung geeignet ist.

Als schnellste Mannschaft des Jahres 2009 beim Rennen um das Blaue Band vom Wörthersee ist die Mannschaft des resolut-Achters im Feld von 16 Achtern auch 2010 wieder am Start, erstmals ohne den drei Jahre alten resolut-Achter, der kurz davor an der Eisenbahnbrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm außerplanmäßig geteilt worden war. Dank eines Empacher-Achters mit herkömmlichen Auslegern aus dem Bestand des Landesruderverbandes Baden-Württemberg aus Breisach konnte die Titelverteidigung 2010 doch noch in Angriff genommen werden.


Der Bootsplatz (Webcam) in Velden im Regen, links das gelbe URCD-LRVBW-Boot          Foto: Wolfgang Kamper

Am Freitag, dem Tag vor dem 16-km-Rennen, machte sich der Bootstransport morgens um 8 Uhr bei gutem Wetter auf den Weg an den Wörthersee über Salzburg, Tauern-,  Katschbergtunnel und Villach nach Velden. Nachmittags um halb drei beim Aufriggern im Kurpark am Seecorso in Velden bei trockenem Wetter wurden wir noch von einer Busreisegruppe aus der Stuttgarter Ecke ausgiebig befragt und bestaunt, kurz darauf setzte der Regen ein, der uns ohne Pause fast während des gesamten Wochenendes begleiten sollte. In Ulm dagegen beim Einstein-Marathon gab's als Kontrastprogramm strahlenden Sonnenschein.

Am Samstag, den 18.9.2010 vor dem Start um 11 Uhr konnten alle Ruderernerven mit Last-Minute-Besuchen vom rustikal gezimmerten Klo im Cafe direkt am Ufer in Velden rechtzeitig beruhigt werden. Die Ältesten mussten kurz darauf beim Start zuerst ran, eine Wiener Masters Männer F Renngemeinschaft mit Norbert und Franz an Bord, die zu den treusten Teilnehmern der Regatten Passau, Wörthersee und Starnberger See um den Alpenachterpokal gehören.

Wenn man im 19. Jahrhundert in Deutschland einen Ruderverein gründen wollte, wurde der Vereinsnamen meist zusammengesetzt aus dem Ortsnamen + Ruder + club oder verein + Lokalbezug wie z.B. in "Ulmer Ruderclub Donau". In Österreich war man da kreativer. Franz Nitsche, Jahrgang 1951, Olympiateilnehmer im Vierer ohne in München 1972 gehört zum Beispiel dem 1. Wiener Ruderclub Lia an. Einer der Vereinsgründer 1863 hatte eine Frau – Cornelia (von Kendler)  – man streiche die überzähligen Silben weg, fertig ist der Vereinsname. Wie wohl die Frauen der URCD-Gründer geheißen haben? Dann wären wir vielleicht ein URC  Berta, Klara oder Hermine. Und die Vereinsmitglieder von Franz sind die Lianesinnen und Lianesen. Weitere Wiener Ruderer am Start kamen 2010 z.B. von den Vereinen "Normannen" und "Pirat". Das sind logischerweise dann die Piraten.


Vor dem Start - alles Regen                                                                                   Foto: Wolfgang Kamper

Zurück zum Rennen. Regen bedeutet da meistens wenig Wind und daher auch wenig Wellen. So konnten mehrere Rollen Paketklebeband trotz tieferliegender herkömmlicher Ausleger am alten LRVBW-Achter ungenutzt im Mannschaftsbus bleiben. Das Abkleben der Ausleger, um weniger Wellen einzufangen, war nicht nötig. Beim Rennen 2009 hatten die Flügelausleger des resolut-Achters ermöglicht, dass wir eingermaßen ungestreift durchkamen – im Gegensatz zur deutlich jüngeren Konkurrenz.

Wie rudert man ein Rennen über 16 km? Auf keinen Fall denken: jetzt noch 16, 15, 14 usw. km. Es gibt wenige Anhaltspunkte an Land, die Strecke entspricht einem extrem langgezogenen Z. Gegenüber von Pörtschach ist der erste Knick, vorbei an der Kirche von Maria Wörth bis zum nächsten Knick beim Schlösschen in Reifnitz, das laut Franz (Wiener O-Ton) einem "crazy Tschörman" gehört. Nach Krumpendorf kommt der an einen Harry-Potter-Film erinnernde Schrottenturm, in dem bis 1893 aus über 60 m Höhe Blei durch ein Sieb herab gegossen wurde, die Tropfen formten sich im freien Fall zu runden Kugeln und erkalteten beim Aufprall im Wasserbad zu Schrotkugeln. Ab dem Schrottenturm ist jedenfalls der Endspurt in der Endphase d.h. das Ziel beim Bootshaus des RV Albatros ist dann nah.

Franz und Norbert waren mit der ältesten Mannschaft im Boot Nr. 16 schon gestartet, die Nummer 15 hatte alle Hörgeräte ausgeschaltet und startete trotz mehrfachem Startkommando erst beim 4. oder 5. Mal. Allerdings lag das Boot mit dem Starter auch nicht auf der Höhe der Startlinie, sondern deutlich zurück im Uferbereich.


Für die markante Auslage ist der Bugmann bekannt                                                       Foto: RV Albatros

Die resolut-Mannschaft mit Startnummer 12 hatte also 4 Boote vor sich zum Aufarbeiten. Steuerfrau Kadda begann gleich nach dem Start mit der Dauerbeschallung. Von 2009 war immer noch Steuerfrau Anja im Ohr ("und die Beine"). Eine Stunde Anfeuern und Motivieren sind auch kein Pappenstiel. Ein Geburtstagswunsch des Schreibers dieser Zeilen ging unerwartet in diesem langen Rennen in Erfüllung, der von einem Ruderkameraden zunächst als unerfüllbar eingestuft worden war: das Boot stand während des ganzen Rennens. Da kommt dann immer die Frage: Wer war nicht dabei? Wer war 2010 dann dabei: Steuerfrau Katharina Mandel, Uli Steinacker, Andreas Borgolte, Werner Straßner, Mike Dauser, Michael Leibinger, Jörg Haußer, Martin Grimmeiß und Gerhard Strähle.


Das Schlösschen in Reifnitz

Kadda hatte am Wörthersee noch nie gesteuert, also folgte sie einfach dem jeweils vorausfahrenden Achter. Die Startnummer 13 wurde überholt, dann die Nr. 14 und die Nr. 15 - Franz und Norbert mit der Nr. 16 ließ sie vor sich herfahren – als Orientierungshilfe, sonst hätte sie selbst das Ziel auf dem See suchen müssen. Die einzigen Boote, die im Rennen im ständigen Nieselregen aus der Ferne etwas näherkamen, entpuppten sich später als die Startnummern 1 und 2, die hatten also das ganze restliche Feld von hinten aufgerollt.

Als zweites Boot überhaupt kam also die resolut-Mannschaft ins Ziel mit einer Zeit von 1 Stunde und 19 Sekunden, insgesamt der 5. Platz von allen 16 Mannschaften, die am Start waren. Gleich wurde das Boot auf Böcken verstaut und festgezurrt, damit kein Wind - wie schon mal geschehen – böses anrichten konnte. Statt duschen hieß es auf der Terrasse des denkmalgeschützten Bootshauses: Alle Klamotten runter und rein in den See, der mit ca. 20° deutlich wärmer war als die Luft.


Endspurt - alles geben am Schrottenturm                                                                          Foto: H. Kramer

Mit dem farblich unübersehbaren Regatta-T-Shirt – 2010 in rot mit gelber Aufschrift – verkleidet begann danach die Stärkung mit inneren Anwendungen wie mit Bier der Marke "Schleppe" und dem Mittagessen mit paniertem Hendl und weiteren Spezialitäten. Wenn einem dann nach einer 16-km-Regatta beim Mittagessen dazu noch Stelzen ("Stöz'n") angeboten werden, darf man gespannt sein, was da kommt. Auf den Ulmer Einwurf, dass bei uns die Kinder mit Stelzen herumlaufen, kam sofort die Antwort: "Und bei uns die Schweine". Die "Stöz'n" waren also ganz einfach Schweinshaxen.

Die familiäre Siegerehrung wurde zur 18. Ausgabe von den beiden Begründern des Rennens um das blaue Band vom Wörthersee vorgenommen. Das vermutlich etwas unübersichtliche Ergebnisblatt ließ die Platzfolge im einen oder anderen Rennen manchmal etwas durcheinander kommen. So bekam die resolut-Mannschaft im Masters Männer D Rennen (Durchschnittsalter über 50 Jahre) zunächst den 2. Platz zugedacht, die direkten Gegner, Startnummer 11, eine italienische Renngemeinschaft aus Triest wurden als Sieger aufgerufen. Als der Irrtum dann sofort erkannt wurde, bekamen die Italiener dann aber trotzdem aus guter Gastfreundschaft Siegerfoto und Siegerblechla. Unsere URCD-Mannschaft hatte dann doch knappe 5 Minuten Vorsprung.


Sieger 2010 im Masters Männer D Rennen                                                                                          Foto: RV Albatros

Steuerfrau Kadda trug zur Völkerverständigung bei – zwischen Schwaben und Bayern. Zunächst hatte es aus einem Münchner Boot während des Rennens geheißen, die Kadda sollte nicht so laut über die Coxbox mit ihren Ruderern sprechen. Beim Bier mit den Münchnern wurden aber sofort alle Missverständnisse ausgeräumt. Auch abends im Fischgasthof Jerolitsch in Krumpendorf waren alle wieder beinander, Ulmer, Münchner, Wiener und Renate, orts- und geschichtskundige Ruderin vom Wörthersee.

Wie schon im Vorjahr ging's auch am Sonntag Morgen um 10 Uhr zur (flüssigen) Jause hinüber nach Reifnitz – Münchner, Wiener, Ulmer und Renate auf den Ulmer Achter und Münchner Doppelachter verteilt. Unser Bello machte im Einer den Wörthersee unsicher. Zum Mittagessen im Bootshaus des RV Albatros Klagenfurt waren dann alle wieder beieinander. Das tibetisch-pakistanische Wirtspaar sah sich plötzlich mit einer großen Anzahl an Hungrigen konfrontiert. Aber alles klappte noch. Später gab es noch Kuchen – "Piercing-Kuchen". Die Vermutung, dass die tibetische Wirtin Pfirsichkuchen meinte, dementierte sie heftig.

Die Regatta um das Blaue Band vom Wörthersee zeigt, dass sportlicher Ehrgeiz in einem langen Rennen auf der einen Seite und das gesellige Treffen mit Ruderern aus allen möglichen Ecken der Welt auf der anderen Seite eine tolle Mischung abgeben, besonders dank der familiären Atmosphäre am Wörthersee. Ein Wiedersehen war schon eine Woche später geplant bei der Regatta "Roseninselachter" am Starnberger See.


Das Bootshaus des RV Albatros im Winter

Ergebnisse 2010

 

St-Nr  Boot Klasse Zeit Rang
1 RGM Albatros, Austria, Lia M 0:57:25.38 1
8 RV Villach MMB 0:59:07.70 2
5 1. WRC LIA MMC 0:59:11.02 3
9 Canottieri Querini-Circolo Nautico Pullino-Canottieri Bardolino MMC 0:59:37.66 4
12 Ulmer Ruder-Club "Donau" MMD 1:00:19.22 5
16 RGM PIRAT/OCCOQUAN INT./NORMANNEN/DONAUBUND /LIA MMF 1:00:35.03 6
4 CANOTTIERI RAVENNA 1873 MMC 1:01:07.15 7
2 WRK Donau M 1:01:17.76 8
6 Münchener Ruderclub von 1880 e.V. MMC 1:03:30.19 9
15 RGM München/Münchener Ruder- und Segelverein Bayern/ MXE 1:04:48.97 10
Lia Wien/Ruderklub Donau Wien/Ruderverein Albatros Klagenfurt
13 RGM WRC Pirat, RV Austria Wien, RV Argonauten Wien MME 1:05:01.82 11
11 RGM Società Nautica Pullino + Società Triestina Canottieri Adria 1877 MMD 1:05:07.78 12
14 1. WRC LIA MME 1:05:14.03 13
10 WRC Pirat W8+x 1:06:05.11 14
3 Ruderverein Albatros MMA 1:08:56.67 15
7 Wiener Ruderverein Donauhort  W8+x 1:11:48.20 16
 
Blaues Band 2010 Ergebnis nach Klassen
St-Nr  Boot Klasse Zeit Rang
1 RGM Albatros, Austria, Lia M 0:57:25.38 1
2 WRK Donau M 1:01:17.76 2
3 Ruderverein Albatros MMA 1:08:56.67 1
8 RV Villach MMB 0:59:07.70 1
5 1. WRC LIA MMC 0:59:11.02 1
9 Canottieri Querini-Circolo Nautico Pullino-Canottieri Bardolino MMC 0:59:37.66 2
4 CANOTTIERI RAVENNA 1873 MMC 1:01:07.15 3
6 Münchener Ruderclub von 1880 e.V. MMC 1:03:30.19 4
12 Ulmer Ruder-Club "Donau" MMD 1:00:19.22 1
11 RGM Società Nautica Pullino + Società Triestina Canottieri Adria 1877 MMD 1:05:07.78 2
13 RGM WRC Pirat, RV Austria Wien, RV Argonauten Wien MME 1:05:01.82 1
14 1. WRC LIA MME 1:05:14.03 2
16 RGM PIRAT/OCCOQUAN INT./NORMANNEN/DONAUBUND /LIA MMF 1:00:35.,3 1
15 "RGM München/Münchener Ruder- und Segelverein Bayern/ Lia Wien/Ruderklub Donau Wien/Ruderverein Albatros Klagenfurt" MXE 1:04:48.97 1
10 WRC Pirat W8+x 1:06:05.11 1
7 Wiener Ruderverein Donauhort  W8+x 1:11:48.20 2
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