Zum Hauptinhalt springen

Blaues Wunder als Saisonabschluss

Der 35. Dresdner Elbepokal am 31.10.2009 war wieder für viele Mannschaften aus der Mitte und dem Norden von Deutschland - wenige aus dem Süden – die letzte Regatta des Jahres. Der Start der 10-km-Strecke ist dabei in Heidenau. Die große Mehrheit geht aber über die 5-km-Strecke mit Start etwas unterhalb von Schloss Pillnitz.

Zum Ende der Strecke erlebt jede Mannschaft das Blaue Wunder, und das nicht unerwartet, denn das Ziel ist direkt vor der Loschwitzer Brücke, die alle Welt nur als "Blaues Wunder" kennt – wegen ihres blauen Anstriches.

Das Blaue Wunder auf der Briefmarke zu 100 Pfennig aus dem Jahr 2000 sieht hier besonders blau aus

Was davor geschah: Das Casting im resolut-Achter für den Start in Dresden klappte trotz 7. Regattastart des Jahres für das erweiterte Team zunächst noch als Punktlandung: genau 8 der nicht mehr ganz jungen Alten wollten die letzte Regatta des Jahres sozusagen noch mitnehmen, man war ja recht siegverwöhnt nach Siegen in Passau, am Wörthersee und in Würzburg, am Starnberger See gab's zwar "nur" einen zweiten Platz und den Titel "schnellstes Vereinsboot", dafür aber den Alpenpokal der Gesamtwertung von Passau, Wörthersee und Starnberger See.

Am Abend vor der Abfahrt nach Dresden kam aber dann doch noch Hektik auf, denn einer gab noch schnell telefonisch beim Schlagmann den gelben Zettel ab: Mike Dauser. Das Casting war also wieder eröffnet. Jeder, der zur Türe im Club reinkam, wurde gefragt. Die erhoffte Antwort "Ja, ich will" blieb allerdings aus. Schlagmann Gérard Journeault klingelte sich beim Telefoncasting bis Berlin zu seinem alten Verein Wiking in Berlin durch.

Zum Schluss gab's wieder eine Punktladung: mit dem Versprechen von Martin Grimmeiß, die eigene Arbeitskraft einzubringen, konnte Jules ("Schulz") Dake vom Regal aufbauen daheim freigekauft werden. Mit Jahrgang 1982 war Jules außerdem in seinem ersten AH-Jahr, also gerade erst startberechtigt. An den Start gingen schließlich unter der Aufsicht von Steuerfrau Katharina Mandel Gérard Journeault, Andreas Borgolte, Uli Steinacker, Theo Eckhardt, Michael Leibinger, Jules Dake, Martin Grimmeiß und Jörg Haußer.

Unser Gastverein: USV der TU Dresden in Dresden-Blasewitz

Das meistgebrauchte Wort im resolut-Achter ist dank fortgeschrittenem Alter "was?" - keiner schaltet sein Hörgerät ein. Kein Wunder, dass "Steffi", das mobile Navigationssystem, uns im Raum Nürnberg "Richtung Allgäu" schicken will. Jetzt lügt sie wieder, die blöde Maschine. Doch beim dritten Zuhören entpuppt sich das "Allgäu" als "A 9". In Dresden wollten wir an der Schokoladenseite am Elbufer entlang fahren, "Steffi" nicht, was sie gleich mit den trotzigen Worten "Neuberechnung im Gang" kommentierte.

Die Frühschicht war am Freitag bereits nach 8 Uhr mit Hänger und Zugfahrzeug im Club in Richtung Dresden losgefahren, die Spätschicht erst dann, als die Frühschicht bereits am Ruderclub der TU Dresden angekommen war. Früh- und Spätschicht trafen erst spät im Hotel in der Nähe vom Flughafen Dresden wieder zusammen. Der Dresdner Flughafen war zwar nicht sehr stark frequentiert, doch wenn mal ein Flugzeug kam, flog es bei offenem Fenster gefühlsmäßig genau durch unser Zimmer.

Die Masters Achter starteten am Samstag Vormittag gleich im ersten Rennen, ausgeschrieben sind nur die Klassen B und D. Wir hatten Masters D bei der Meldung knapp verpasst, wir waren ein viertel Jahr zu jung, aber Jules machte uns jetzt noch 2 Jahre jünger. Bei strahlend blauem Himmel ging's bei einem eisigen Gegenwind 5 km hoch zum Start, immer gefolgt vom Raddampfer "Dresden". Der Achter mit Steuerfrau Katharina Mandel durfte nicht zu nah ans Elbufer geraten, weil dort der Wasserstand extrem niedrig war.

Danke für das Bild an Wolfgang Knörgens Fotograf

Der Vorstarter oberhalb des Starts ließ die Achter ewig warten, er hatte vom Start keine Anweisung bekommen, die Boote wenden zu lassen, die "Dresden" war längst vorbeigedampft. Dann endlich die Wende, der Gegenwind wurde zum Schiebewind, Kommando "Jacken ausziehen", die Luft wurde gefühlt wärmer. Wir rechneten mit einem fliegenden Start, doch fast auf Höhe des Starts hielt uns der Startrichter an, nur um uns dann gleich wieder ohne Vorwarnung zu starten.

Direkt nach uns startete Stephan Störmers Hamburger Telefonachter, der im Rennen deutlich näher kam, und dessen Berliner Steuermann kein sprachliches Mittel, besonders im Hinblick auf den Ulmer Achter, ausließ, seine Mannschaft anzutreiben. Der Zweck heiligt wohl auch da die Mittel – politisch korrekte Steuerleute bekommen keinen Schönheitspreis.

In der Masters Männer B Klasse (Mindestdurchschnittsalter 36 Jahre) reichte es für den resolut-Achter nur für den 6. Platz bei 7 Startern. Wir erlebten sozusagen am Blauen Wunder unseres. Mit der alten Stammmannschaft und damit einem Start in der D Klasse (Mindestdurchschnittsalter 50 Jahre) hätten wir mit größter Wahrscheinlichkeit dort die beste Zeit herausgeholt. Stephans Telefonachter hatte ordentliche Kaliber an Bord und verpasste den Sieg nur um 6 zehntel Sekunden. Abends haben wir sie wieder getroffen in der Kneipe "Planwirtschaft" in der Dresdner Neustadt.

Nach dem Rennen wurde der resolut-Achter gleich wieder abgeriggert und aufgeladen. Was wir nicht wussten, dass der Vater von unserem deutschen Hochschulmeister Tobias Knörgen, Wolfgang Knörgen mit seinem Verein aus Halle ebenfalls am Start war. Er hätte altersmäßig genau in unser Boot gepasst.

Nach Wiederaufbereitung in der Dusche, einigen Heringsbrötchen und einem Wernesgrüner oder Radeberger begann der Kulturteil mit unserer Stadtführerin Conny Leibinger. Mit der Straßenbahn ging's direkt vom Ruderclub der TU am Blauen Wunder vorbei in die Stadt zum Albertplatz in der Neustadt, den die "Steffi" sonst immer auf der zweiten Silbe betonte. Die Straßenbahn heizte dabei ganz ordentlich um die Kurven, so dass sich einander unbekannte Fahrgäste halb in den Armen lagen.

Der Canalettoblick 1750

Der Canalettoblick 2009

Vom Albertplatz spurteten wir über die Königstraße zur Elbe, von dort die Yenidze, die alte Zigarettenfabrik in der Moschee im Blick, weiter zum Canalettoblick, wo der Maler den Blick auf Hof- und Frauenkirche praktisch fotografisch genau abgemalt hatte, dann über die Augustusbrücke zu Zwinger und Semperoper, Hofkirche und Fürstenzug zur Frauenkirche. Am Fürstenzug werden alle Sachsen-Chefs seit 1127 abgebildet, teilweise mit skurrilen Namen wie "Friedrich der Gebissene". Der Fürstenzug setzt sich aus vielen Keramiktafeln zusammen und hatte den Feuersturm von 1945 praktisch unzerstört überstanden.

Bei der Brühlschen Terasse am Elbufer der Dresdner Altstadt

Am Sonntag bot der Festgottesdienst zum vierten Kirchweihfest seit der Wiedereröffnung die einzige Gelegenheit zum Besuch der Frauenkirche. Mit Orgel, Chor und Solisten erwartete uns das volle Programm inklusive Taufen. Bemerkenswert war dabei: der Organist Samuel Kummer ist Schwabe, Jahrgang 1968 und war davor in Kirchheim/Teck - von dort an die Frauenkirche: eine tolle Karriere. Die Frauenkirche mit ihrer runden Form erinnert einen dabei sehr an ein Opernhaus mit seinen Logen. Als wir auf der mittleren Empore, sozusagen der Königsloge, Platz genommen hatten, näherte sich unten der ersten Reihe der frühere "König Kurt" (der ehemalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit seiner Frau). Für unseren Michi gab's kein Halten mehr, er ging nach unten in die Reihe 3, um sich das ganze aus der Nähe anzuschauen.

Suchbild: Teile der Mannschaft stehen beim Luther-Denkmal

Gleich danach ging's heim auf der Autobahn, ein ewig langer Baustellenstau auf der A72 stellte unsere Geduld auf eine harte Probe. Bei der Umfahrung hatte "Steffi" wie immer ihren eigenen Kopf.

Das war die Saison 2009 für den resolut-Achter, und mit dem Gewinn des Alpenpokals eine sehr erfolgreiche. Als Regattaziel – Langstreckenregatta mit touristischem Hintergrund – war Dresden sicher der kulturelle Höhepunkt der Saison mit Blauem Wunder und einer wieder auferstandenen Altstadt.

Die Saison 2009 ist zu Ende, die Saison 2010 hat begonnen.

Foto: USV TU Dresden Sektion Rudern

  • Geändert am .
  • Aufrufe: 5148