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Ulmerspatzawasserratza - 60-km-Kirchboot-Nachtrennen bei der 48. Sulkavan Suursoudut 2015

Die Herausforderung
In Ulm geht eine Standard-Damenausfahrt meistens über 10 km, einmal KWBH und zurück. Andere rudern etwas länger, aber einmal 60 km am Stück zu rudern, noch dazu in einem Rennen und mit einem Kirchboot in Finnland, diese Herausforderung geisterte schon länger in der Mannschaft des resolut2-Achters herum. Es fehlte nur der nötige Ruck, damit alle sich aufraffen zu diesem abenteuerlichen Unternehmen. Mike Dauser spielt die Rolle des Motivators und Organisators und so ist beim Anrudern 2014 klar: wir machen's 2015. Der Schwabenaspekt: Wer so früh Flugtickets bucht, bekommt auch richtig gute Preise.

Im Club werden die zu einem Standard-Kirchboot gehörenden 14 Ruderinnen und Ruderer und ein Steuermann gesucht. Und so geht eine gemischte Mannschaft aus drei Frauen und 12 Männern im Alter zwischen 43 und 74 am Freitag, den 10. Juli 2015 um 16 Uhr mit Startnummer 124 von insgesamt 140 Kirchbooten an den Start des sogenannten 60-km-Nachtrennens. Richtig Nacht wird es zwar zu dieser Jahreszeit so weit im Norden nicht, doch von der Uhrzeit beim Zieleinlauf am Ruderstadion von Sulkava kann es bei den letzten Teams schon auf 23 Uhr zugehen, 2015 wird das letzte Team um 23:15 Uhr über die Ziellinie fahren.

Der See
Eine Regattastrecke von 60 km mit einer knappen Umrundung der Insel Partalansaari bietet der Saimaa-See im Osten Finnlands mit einer Fläche von 4.370 km², er ist außerdem der viertgrößte See Europas. Im See liegen ca. 13.000 kleinere und größere Inseln. Es ist eigentlich ein ganzes Seensystem und so ist es nicht verwunderlich, dass es eine Küstenlänge von fast 15.000 km aufweisen kann. Die Ufer sind fast komplett bewaldet, auf den Inseln und an Land schauen an vielen Stellen vom Gletschereis der Eiszeit abgeschmirgelte Felskuppen heraus. Laut Wall-Street-Journal gehört er zu den 5 schönsten Seen der Welt. Auch Bundespräsident Joachim Gauck schipperte 2013 bei seinem Staatsbesuch in Finnland mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö mit dem 1905 gebauten Dampfer S/S Punkaharju auf dem See herum. Der Ort Sulkava und das dortige Ruderstadion, das Herz der Regatta, liegen ca. 300 km nordöstlich von Helsinki.

Die Insel Partalansaari ist gefühlt rechteckig, fünf Kilometer nach dem Start kommt eine 90°-Kurve, dann geht es 15 km nach Süden, danach 15 km nach Osten und ca. 15 km nach Norden. Anschließend geht's auf einem Zickzackkurs bis zum Ziel in Sulkava.

Der Test - mit Johanna
Der Landesruderverband Baden-Württemberg hat seit kurzem ein Superluxus-Kirchboot, allerdings nicht aus Finnland, sondern aus Speyer, Taufpatin: Johanna Kienzerle, der Standort: Radolfzell am Bodensee. Die Trainigsroute als Vorgeschmack auf 60 km: Radolfzell – Reichenau – Konstanzer Seerheinbrücke und zurück, zusammen 37 km. Am 13.6.2015 stechen wir mit Jungsteuermann Klaus Karok in See. Wo man am Bodensee sonst eher in Ufernähe rudert, sucht Klaus den direkten Weg. Die Wellenberge – und –täler dort steckt Johanna gut weg. Bei Wind und Wellen gestaltet sich die Fahrt relativ zäh, die besonders strapazierten Körperteile, vor allem Hinterteil und Hände melden sich auch auf dieser Kurzstrecke.

Bei der Vogalonga in Venedig hatte man 2013 mit einem alten klapprigen Original-Kirchboot für 30 km zweieinviertel Stunden gebraucht. Eine vergleichbare Zeit rückte mit Johanna in weite Ferne, und die Motivation rutschte etwas in den Keller. Das konnte in Finnland also nur besser werden.

Der Vorteil des Speyrer Sonderkirchboots: es ist etwas breiter, man sitzt nicht so auf Tuchfühlung und man kommt sich daher nicht so leicht mit den Ellenbogen in die Quere wie beim finnischen Original. Und es sieht super aus. Der Nachteil: im Bereich des Mittelschiffs schiebt es eine große Welle, in der die Mittelschiffruderer leicht hängenbleiben. Außerdem kommt Johanna nicht so sehr ins Laufen und gleitet daher nicht so sehr auf dem Wasser, sondern hat deutlich mehr Boden- bzw. Wasserhaftung. Eine Geschwindigkeit von mehr als 12 km/h laut GPS war am Bodensee auch unter größter Anstrengung nicht drin.

Das Land
Finnland. Unendliche Wälder und Seen. Und eine Sprache mit fast ebenso unendlichen Wörtern, die mehr eine Art Geheimsprache ist, denn auch aus der geschrieben Version, z.B. auf Schildern, lässt sich für Nicht-Finnen keinerlei Bedeutung herauslesen. Wären in der Hauptstadt Helsinki nicht alle Hinweise zweisprachig auf Finnisch und Schwedisch, könnte man die Schilder für Nichtfinnen genauso gut weglassen. Wer würde dem Hinweis "Keskusta" folgen, wenn er ins Zentrum wollte?

Und welchen langen Namen haben wir Ulmer zu bieten für das URCD-Team bei der 48. Sulkavan Suursoudut, der einigermaßen finnisch aussieht? Da hat Mike einfach alles aneinandergehängt: Ulmerspatzawasserratza. Ulmerspatzawasserratza - das sind Detlef Cordoni, Michael Leibinger, Gerhard Strähle, Hans-Jörg Stöhr, Andreas Borgolte, Torsten Aurich, Mike Dauser, Sabine Stumpf, Kerstin Stöhrer, Werner Strassner, Klaus Karok, Marion Strassner, Jörg Haußer, Chris Kolb und unser Finne Juha Ruottinen.

Die Connection
Ein ehemaliger Pistenbully-Kollege von "Bello" Strähle, Juha Ruottinen, kam als Wegbereiter vor Ort und als Mitruderer ins Spiel, denn als Neulinge auf recht fremdem Territorium hätten wir uns schwer getan. Er hat wie so viele Finnen ein Sommerhaus unweit von Wald und See – und wo? Ganz in der Nähe von Sulkava. Er besorgt unser vergleichsweise neues Leihkirchboot vom Veranstalter, das während der Regattatage gleich mehrmals vermietet wird. Außerdem hat ihn das 60-km-Rennen nicht wirklich  abgeschreckt, denn zusammen mit uns rudert Juha Ruottinen (59) es 2015 bereits zum 16 Mal. Er wusste, wann man wo sein sollte und wie man sich am Start nach vorne mogelt, auch wenn offiziell eine Zeitstrafe von 10 Minuten angedroht war.

Das Unwort
Ein Wort hatten wir Ulmer parat, das Juha ganz und gar nicht hören wollte: Pause. Die gibt es im Rennen, auch wenn es über 60 km geht, nicht und sei ganz und gar unnötig. Fürs Trinken? Wie so viele andere Sulkavaveteranen hatte Juha einen 5-Liter-Kanister mit Wasser, dessen angeschlossener Schlauch am anderen Ende an einem Schlüsselband befestigt ihm um den Hals hing. Da im Kirchboot die Riemen nicht abgedreht werden können, hat man da schon kurz Zeit, mit einer Hand sich den Schlauch kurz in den Mund zu stecken, um zu trinken. Das Schlauchende darf nur nicht herunterfallen, sonst ergießt sich der Kanisterinhalt ins Boot.

Und essen sollte man laut Juha auch während des Rennens. Er hatte ein kleines Tablettgestell aus Draht gebastelt, das man oben an der Bordwand einhängen konnte. Auf den Tablettebenen waren Tomaten, Gurken und Brotstückchen verteilt, die dann bei Bedarf während des Rennens ihrer Bestimmung zugeführt werden konnten. Er hatte für uns Unerfahrene auch eine Einfachlösung parat: mit Panzerband, in Finnland "Jesus Tape" genannt, einfach Energieriegel auf die Bordwand kleben und im Rennen dort "pflücken". Backbord-Schlagmann Michi Leibinger hatte eine noch einfachere Lösung. Er bestellte beim Steuermann eine geschälte Banane, die dieser ihm abschnittsweise reichen durfte.

Und wenn Finnen mit einer Hand rudern und die andere beim Trinken einsetzen, dann kann Chris das auch. Er hält seine GoPro-Kamera hoch und filmt einige Szenen des Rennens, ein tolles Stimmungsbild.

Hütten am See
Ganz wie es sich für Finnen gehört, waren wir Ulmer in Sulkava untergebracht, in Hütten, jede mit Sauna, direkt am Ufer des Saimaa-Sees, wie sich später herausstellte bei Kilometer 55 unseres 60-km-Rennens. Sauna im Sommer? Nach Tropentemperaturen zuhause genießen wir die finnische Kühle bei maximal 23 Grad im Schatten. Nachts sind die Temperaturen sogar einstellig. So ist das Bad im See morgens nach dem Aufstehen recht erfrischend. Die Hütten samt Hotel gehören einem reichen Russen, der das Land am See nur zweckgebunden kaufen durfte, um dort Feriengäste unterzubringen, die Geld in die Region bringen. Laut unserem finnischen Freund Juha wird aber spekuliert, dass der Russe die Ferienanlage einfach offiziell "aus Unrentabilität" schließen könnte, die Zweckgebundenheit hätte sich erledigt, er könnte die Hütten abreißen lassen und eine Luxusdatscha für sich und seine Frau dort bauen. Russen würden oft fünfmal so viel bezahlen und so die Preise in bestimmten Gegenden in die Höhe treiben, so dass Finnen sich Grundstücke an den Seen nicht mehr leisten könnten.

Finnen und Russen
Russland war und ist bis heute immer der große Nachbar. Finnland gehörte bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts zu Schweden, wurde dann von Russland besetzt, wurde ein russisches Großfürstentum und erklärte sich im Dezember 1917 für unabhängig. Am besten alles 'mal bei Wikipedia nachlesen. Durch den derzeitigen Boykott von Russland durch den Westen wegen des Ukrainekonflikts verfallen auch um Sulkova herum einzelne Holzhäuser, weil Russen kein Geld zu ihrer Renovierung nach Finnland transferieren dürfen.

Sulkava und das Ruderstadion
In Sulkava gibt es zwei Supermärkte, zwei Kneipen, die normalerweise um 20 Uhr zu machen, weil meistens tote Hose ist. Während der Regatta wird der Schalter umgelegt, jetzt tanzt plötzlich überall der Bär, ein richtiges Volksfest ist im Gang: das Ruderstadion erwacht aus seinem einjährigen Dornröschenschlaf, die Kneipen haben jetzt bis 3 Uhr nachts geöffnet, an der Straße von der Ortsmitte, einer Straßenkreuzung, zum Ruderstadion sind mobile Fress- und Verkaufsstände aufgereiht wie an einer Perlenkette. Das Menüspektrum reicht vom Mega-Hamburger über Kötbullar mit Pommes zu gebratenen Sprotten (ohne Beilage) und mehr. Das finnische Bier ist leicht gewöhnungsbedürftig, ebenso die Preise. Im Ruderstadion kosten 0,4 Liter 6 Euro. Da muss man als Schwabe einfach durch, sonst kommt man zu nichts.

Im Ruderstadion sind Start und Zieleinlauf des auf zwei Tage verteilten 2x35-km-Rennens und der Zieleinlauf unseres 60-km-Rennens. In der großen Kantine werden die Ruderer und Besucher in mehreren Schlangen zu verschiedenen Verpflegungsstationen gelenkt. Kötbullar, diesmal mit Kartoffelbrei und Salat, gibt es mit dem Gutschein, den alle Ruderer mit dem Meldeergebnis bekommen haben. Auf der Veranda ist eine Tanzfläche eingerichtet, in der Scheune nebenan ist die Bar, die Bühne wartet auf den Auftritt von Cat Cat, zwei Sängerinnen nach Disco-Abba-Art, die zu Playback-Musik singen. Am Stand mit Ruderkleidung werden billigste Sitzauflagen und vielversprechende Neopren-Überzieher für die Holzgriffe an den Riemen für 30 Euro verkauft.

Der Tag davor
Im Startbereich des 60-km-Rennens in Hakovirta, ein paar Kilometer von Sulkava entfernt, liegen am Ufer schon viele Kirchboote, auch unser Mietboot "Sulkava 7", die später an einem sehr langen, schwimmenden Holzsteg für den Renntag festgemacht werden. Bei einer 10-km-Probefahrt testen wir das Start- und Gleitverhalten. Mit einer hohen Schlagzahl, die im Rennen auf einer so langen Strecke nicht durchzuhalten ist, bringen wir das Boot auf 16,2 km/h. Das ist vielversprechend.

Vor dem Rennen
Kohlenhydrate in Form von Nudeln mit Tomaten- oder Pestosoße zum Mittagessen, das ist die Vorgabe in den Hütten unten direkt am See. Am Morgen noch werden die potentiellen Steuerleute, Detlef Cordoni, Hans-Jörg Stöhr und Klaus Karok im Regattabüro in die Tücken der Strecke eingewiesen. Eine so große Steuertruppe sollte Möglichkeiten für einen Wechsel geben, falls einer auf einem Ruderplatz schlapp macht.

Alle verfügbaren URCD-Mietautos werden zum Zielbereich gebracht, nachdem zuvor die meisten URCD-Ruderer zum Start in Hakovirta geshuttelt worden waren. An dem langen Schwimmsteg liegen beidseitig zig Kirchboote, der Steg taucht an manchen Stellen unter der Last der Ruderer ab, die aufs Einsteigen in die Boote warten, so dass sich hier schon manche nasse Füße holen. Viele Ruderer laufen mit ihrer 5-Liter-Kanister-Schlauch-Konstruktion herum, die teilweise auch gefärbte Flüssigkeiten enthalten, was ein bisschen grotesk aussieht und an Szenen im Krankenhaus erinnert.

Detlef ist der Steuermann am Start. Juha, unser Finne an Bord, bittet höflich, doch wirklich bis an die Brücke, die über den Startbereich führt, heranzurudern. Die Leute im Bug versuchen, das bis zum Steuermann weiterzugeben. Aber das Boot ist lang, die Kommunikation Bug-Heck fast unmöglich. Dann die Ansage über den Lautsprecher: "Two minutes." Ab da müsste man jede Sekunde mit dem Startschuss rechnen, hatte uns Juha eingeschärft.

Das Rennen
Startschuss. 140 Kirchboote an dieser flussartig verengten Stelle des Sees legen los, das Wasser brodelt. Manchmal trennen die Boote kaum mehr als ein Meter Wasser. Und wir mittendrin – ein tolles Gefühl. Zuerst Schlagzahl 30, um aus diesem Getümmel etwas herauszukommen. Detlef steuert uns an den Rand des Feldes, um freie Bahn zu haben. Viele Kirchboote rudern nur mit einem Kernschlag d.h. die Ruderer nutzen gar nicht die gesamte Rollbahn, dafür ist die Schlagzahl höher - vielleicht ein Überbleibsel aus der Zeit, als die Kirchbootfahrer statt auf einem Rollsitz auf einem Balken saßen. Auch Juha hatte vermutlich diesen Stil zuvor benutzt, deshalb rumpelte es ab und zu, wenn sein Blatt mit dem Blatt des Vordermannes leicht zusammenstieß.

Das Feld entflechtet sich langsam, alle fünf Kilometer zeigt eine Großboje die gefahrene Strecke. Boote, die überholen wollen, müssen nach außen ausweichen und dürfen erst wieder zurück in die Spur, wenn sie komplett vorbei sind. Doch manchmal ist es dabei eng, das überholende Boot drängt sich hinein und die Riemen der beiden Boote berühren sich. Schimpfwörter kommen zum Einsatz. Juha als Steuerbord-Bugmann schäumt auf Finnisch. Backbord-Bugmann Chris Kolb greift auf das deutsche Wort mit A zurück, das auch Juha dank seiner Zeit in Deutschland versteht.

Der See wird immer weiter. In welche Abschnitte sollte man sich die Strecke einteilen? Noch soundsoviele Kilometer? Das sollte man sich für ganz zum Schluss aufheben. Also erst mal bis zur Hälfte kurz vor Hirviniemi. Dort sollte der Steuermannwechsel von Detlef zu Hans-Jörg Stöhr erfolgen. Doch dann ein längerer Schrei von Steuerbord-Schlagmann Bello Strähle, er hat einen starken Krampf im Fuß. Sofort ist klar: er muss steuern. Es wird gewechselt und dazu müssen wir wirklich anhalten. Und es bedeutet auch, dass beide über siebzigjährige an Bord, Klaus Karok und Hans-Jörg Stöhr die volle Strecke rudern werden.

Bello hat im wirklichen Leben nicht nur das Kapitänspatent, sondern kann auch auf die Erfahrungen eines langen Regattalebens zurückgreifen, um die Newcomer-Kirchboot-Crew "Ulmerspatzawasserratza" zu motivieren.

Verschleißerscheinungen
Um verbrauchte Flüssigkeit zu ersetzen, konnte immer eine Ruderbank ihre Riemen hoch in die Luft strecken, damit die Nachbarn davor und dahinter ungehindert weiter rudern konnten, und trinken und essen. Vom Bug aus ist zu sehen, dass manche regelmäßig Pause machen, andere nur ganz sporadisch. Juha mit seinen Hilfskonstruktionen braucht gar keine Pause.

Aber auch eine andere Baustelle tut sich auf: das Hinterteil. Dass man dort auch Blasen bekommen kann, erfuhr unser Käpt'n Mike. Auf allen Rollsitzen waren standardmäßig schaumstoffartige Auflagen festgemacht. Einige hatten die Wintech-Sitzauflagen dabei, die es auf der URCD-Geschäftsstelle zu kaufen gibt. Der Schreiber dieser Zeilen hatte darüber auch noch zusätzlich ein dünnes Schaumstoffkissen gelegt. Das fühlte sich zunächst auch supergut an. Aber nach 50 km gab es kein Halten mehr, etwas muss sich da unten ändern. Zuerst also das Kissen weg. Das bringt nur eine kurzfristige Erleichterung. Dann die Wintech-Auflage weg. Es wird immer schlimmer. Durch eine extreme Rücklage kann der Druck der Backenknochen auf das Sitzfleisch etwas abgemildert werden.

Endspurt
Vom Ufer ruft jemand unseren tollen Teamnamen. Kurz darauf ist Kilometer 55 bei unseren Hütten geschafft. Noch drei Kilometer. Macht zusammen - 58 km. Das Ruderstadion in Sulkava kommt immer näher. Kurz vor der Ziellinie hören wir über den Lautsprecher den Regattasprecher mit dem rollenden "r" der Finnen: "Ulmerspatzawasserratza". Auch die Namen aller URCD-Ruderer werden verlesen.

After-Race-Party
Sobald wir beim Ruderstadion anlegen und unser Zeug aus dem Kirchboot holen, ist gleich eine Helfermannschaft zur Stelle, die das Boot von allen unseren anderen Hinterlassenschaften wie Kabelbinder, Verpackungsmüll etc. befreit und es gleich einsatzbereit und mietfertig für das Rennen am nächsten Tag macht. Es ist ungefähr 21 Uhr, 5 Stunden nach dem Start also. Der Gang über das ansteigende Gelände wird für die Backenmuskeln zur Qual. Alle sind erwartungsgemäß echt fertig.
Juha sagt uns das Ergebnis: 4 Stunden, 47 Minuten und 58 Sekunden – Platz 41 von 140 Booten. Das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 12,08 km/h. Keiner vor Ort hätte erwartet, dass eine Newcomer-Mannschaft das Rennen so gut meistert. Und außerdem gesteht er uns, dass das Rennen mit uns sein schnellstes von allen 16 Rennen gewesen wäre.

Wenige können überhaupt schon etwas essen. Dafür klappt's mit dem Bier schon ganz gut. Dann wirklich nur ein bisschen Party mit CatCat. Und dann geht's schnell heim in die Hütten am See.

Gefängnis und Rückreise
Bei einer so großen Gruppe gibt es abseits vom Rennen unterschiedliche Interessen und Heimfahrtspläne. Alle besichtigen das 35 km entfernte Savonlinna mit seiner Burg, in der jeden Sommer ein großes Opernfestival stattfindet. Außerdem verbringen danach alle Zeit in Helsinki. In der finnischen Hauptstadt sind zu dieser Zeit zusätzlich noch 23.000 Teilnehmer der Welt-Gymnaestrada unterwegs, alle in Sportkleidung ihres jeweiligen Landes. In der Straßenbahn, im Restaurant, bei Besichtigungen, überall sind sie zu finden.

Fast alle Sulkava-Newcomer vom URCD verbringen ihre Nächte in Helsinki im Gefängnis. Manche Behausungen dieses Typs werden euphemistisch oft "Hotel" genannt, aber hier ist es wirklich so: das Best Western Premier Hotel "Katajanokka" in der Innenstadt unweit des Fährhafens wurde liebevoll vom Gefängnis zum Hotel umgebaut – unter Beibehaltung von möglichst viel Gefängniseinrichtung. Die sehr niedrigen Zellentüren haben ein Guckloch (allerdings von innen nach außen), die Treppenhäuser und Gänge sind fast noch original erhalten, beim Frühstück gibt es Blechteller und Blechbecher, das Personal trägt quergestreifte Shirts.

Sehr unterhaltsam und informativ war eine vierstündige Führung durch Helsinki, zum Teil auch in etwas abseitige Ecken der Stadt – auf Fahrrädern. Eine tolle Idee.

Gefühlte 60 km
Und warum ist das 60-km-Nachtrennen bei der Sulkavan Suursoudut nur 58 km lang? Laut Juha wurde die Strecke erstmals von einer Frau im breiten Einer gerudert, die ungefähr 12 Stunden brauchte. Dann wollte ein Mann sehen, wie lange er für die gleiche Strecke braucht. Daraus entstand 1968 die Regatta. Auch heute sind auf der zweitägigen 2x35-km-Strecke außer den Kirchbooten auch Einer und gemischte Zweier am Start. Wie gemischt: traditionell rudert die Frau (rückwärts) und der Mann paddelt (vorwärts), im selben Boot. Laut Juha gibt es heute noch ca. 4 Leute, die alle Rennen seit damals mitgefahren sind.

Auf der Landkarte ist man dann damals mit einem kleinen Messrad die Strecke abgefahren, heraus kamen 60 km. So entstand der Name des Rennens. Aber der Fortschritt ist bekanntlich nicht aufzuhalten. Mit GPS hat man deutlich später dann nochmals auf der echten Strecke nachgemessen. Ergebnis: 58 km. Aber der Name und die Strecke blieben.

Und die Hinterteile werden die eingesparten zwei Kilometer danken.

Bildergalerie vom Nachtrennen in Sulkava/Finnland im Kirchboot über 60 km am 10.7.2015

Schild Sulkava Rowing Stadium
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Ergebnis 60-km-Nachtrennen

Streckenverlauf

Video 1 vom Start   Video 2 vom Start    CatCat bei der After-Race-Party  HEL - Helsinki Bike Tours

Fahrt mit Johanna 1
Fahrt mit Johanna 2
Fahrt mit Johanna 3
Fahrt mit Johanna 4
Fahrt mit Johanna 5
Fahrt mit Johanna                                                         Fotos von Johanna von Peter Berger

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