Projekt Mixed-Achter: Inn-River-Race 2016 in Passau
Was davor geschah
"Lasst schöne Frauen um mich sein." Dieses abgewandelte Shakespeare-Zitat aus "Julius Caesar" hatte Martin Grimmeiß als Idealbesetzung der URCD-Seegig "La Thielle" für sich erkoren, als er sich bei einer Wanderfahrt 2015 auf den Steuerplatz setzte. Noch ein sprudelndes alkoholhaltiges Getränk dazu und schon reifte der Plan, daheim eine gemischte Achtermannschaft ins Boot zu bringen. Aber natürlich nicht nur so zum Spaß, Regattapläne für 2016 wurden gleich mit ins Auge gefasst.
Zunächst wird nur in homöopathischen Dosen gerudert, zwar 16 – 21 km, aber nur einmal pro Woche, und selbst da wechselt die Zusammensetzung jedes Mal. Eine klare Mischungsvorgabe für die Rennen im Mixed-Achter gibt es aber, zumindest im DRV-Bereich: halbe-halbe.
Ein Teamname wird nach einigen Fehlversuchen von Martin als spiritus rector ("führender, lenkender Geist") auch gefunden: der T.Rex-Achter. Was ein Dinosaurier mit dieser Mannschaft zu tun haben soll, weiß heute keiner mehr. Nach manchen nicht so günstig verlaufenen Ausfahrten liegt gelegentlich der Wunsch nahe, das T im Namen durch ein D zu ersetzen.
Amsterdam gestrichen
Das Trainingspensum über den Winter wird auf zwei Fahrten am Wochenende ausgedehnt. Das "Head of the River Amstel" in Amsterdam als erstes Regattaziel rückt immer näher. Alles ist schon klar, die Mannschaft ist gemeldet und wer mit wem dorthin fährt. Bloß bei der Auswahl des Hotels will es nicht richtig klappen: mal führt der Preis, mal die Lage zur Abwertung. Eine denkwürdige Ausfahrt zu diesem Zeitpunkt führt dazu, Amsterdam durch Passau als ersten Regattastart zu ersetzen. Der Frust bei den Frauen ist deutlich spürbar: "Die Männer im Boot haben beschlossen, dass wir nicht nach Amsterdam fahren. Schade!"
Die Frauen im Boot sind aber immer noch hoch motiviert. Ein Ergometertest wird angesetzt. Zum Meldeschluss am Ostermittwoch steht dann die Mannschaft fest, die nach Passau zum 38. Inn-River-Race 2016 über 5,5 km auf dem Inn von der Hängebrücke beim Schloss Wernstein bis zur Staustufe Ingling beim Passauer Ruderverein fahren wird. Das Durchschnittsalter ist bei Masters-Rennen wichtig für die Einstufung in die entsprechende Altersklasse. Mit 50,5 Jahren rutscht die T.Rex-Mannschaft vom URCD gerade so in die ältere Klasse D (50 – 54). In C starten die Mannschaften mit 43-49 als Altersdurchschnitt.
Das T.Rex-Team des URCD beim Inn-River-Race 2016 in Passau (in der Wiese im Matsch)
Qualmt und wackelt
Allerdings steht für die Fahrt nach Passau trotz Anfrage Anfang Februar noch kein Hänger fest, weil es im Club nicht einmal eine gefühlte Reservierungsliste gibt. Die Rennmannschaft macht sich am selben Wochenende nach Breisach auf und benutzt lieber den Waldseer Hänger. Zur Fahrt nach Passau stehen dann doch unerwartet der Rennboothänger und der Opel als Zugfahrzeug bereit. Es gibt freundliche Hinweise, dass es bei beiden zu gefühlten kleinen Einschränkungen kommen könne. Wenn die Anhängerkupplung eventuell ins Wackeln käme, nehme man dafür halt einen Kreuzschlüssel für unterwegs mit. Und wenn das Auto qualme, brenne es ganz sicher nicht.
Aber alles läuft gut. Nichts wackelt oder qualmt, lediglich in der Gegend des BMW-Werks in Dingolfing verabschiedet sich auf der Autobahn der Motor. Das Team guckt - auf dem Standstreifen ausrollend - ungläubig und sieht seinen Start in Passau in weite Ferne rücken. Doch zum Glück springt der Motor wieder an und es geht ohne weitere Ausfälle zur Regattastrecke.
Der Inn beim Start in der Nähe von Schloss Wernstein
Das Rennen
Ums Bootshaus gibt es Würzburger Verhältnisse d.h. durch längeren Regen an den Vortagen sind alle Grasflächen relativ matschig, oft eine Spezialität der Würzburger Regatta. Die üblichen Regattavorbereitungen laufen: Aufriggern, großer Andrang an allen verfügbaren Klos, Umziehen.
Mail aus Ulm: "Ich wünsche euch alles Gute für das Rennen. Haut rein und werdet erste. Etwas anderes akzeptiere ich nicht. Martin."
Die Mannschaften mit ihren Achtern stauen sich an den Treppen zum Floß, darunter sind wie woanders auch "Queue Jumper" (Englisch für "Vordrängler"), die aber durch entschiedenes Tragen des Achters zurückgedrängt werden können. Das Bootshaus des Passauer Rudervereins liegt direkt beim Ziel, so dass alle beim Hochrudern zum Start die gesamte Strecke zu sehen bekommen. Der Inn bildet hier die Landesgrenze zwischen Deutschland und Österreich. Alle sind im Rennmodus, auch die ansonsten so ruhige Steuerfrau, Anna Köller. Nach der Wende oberhalb des Starts beim Schloss Wernstein wird noch etwas gezögert mit dem Losrudern, darauf die ungläubige Frage aus dem Boot des Vorsortierers, der die Boote zum fliegenden Start schickt: "Wollt ihr noch was? Wenn nicht, könnt ihr losfahren".
Der Achter mit der T.Rex-Mannschaft startet und alle werden Zeugen einer ruderischen Sternstunde: das Boot wackelt nicht und läuft super wie nie zuvor - mit einer Schlagzahl, die in Ulm praktisch noch nie auf der langen Strecke ausgepackt werden konnte. Andere zuvor gestartete Achter aus der jüngeren C-Klasse kommen ins Blickfeld. Der Abstand zu den deutlich später gestarteten Achtern derselben Klasse ist zu groß, so dass er nicht abgeschätzt werden kann. Nach der letzten Innkurve vor dem Ziel kommt der Endspurt.
After-Race-Party
Der Platz auf dem Wasser nach dem Zieleinlauf ist durch das Kraftwerk Ingling deutlich eingeschränkt, so dass alle möglichst schnell vom Wasser gehen. Das T.Rex-Team ist zufrieden bis euphorisch. Danach Boot verladen im Matsch, Teil 2. Im Anschluss noch ein kurzer After-Race-Drink beim Bootshänger, bei dem wieder ein sprudelndes alkoholhaltiges Getränk zum Einsatz kommt.
Die Passauer machen es immer spannend, deshalb heißt es "Warten auf das Ergebnis im Festzelt". Zur Siegerehrung rückt neben dem Vorsitzenden des Passauer RV, Josef Lang, ein ganzes Team an, das die Siegerbierkrüge überreicht: die Passauer Bürgermeisterin Erika Träger in einem mintgrünen Jackett, der Präsident des Bayerischen Ruderverbandes, Thomas Stamm und der Ehrenvorsitzende des DRV, Helmut Griep. Die kurzen Ansprachen der Ehrengäste werden von einem konstanten Geräuschteppich im Festzelt etwas in den Hintergrund gedrängt.
Die Siegerehrung beginnt, schier endlos wird jede kleinste Unterteilung jeder Bootsklasse geehrt. Endlich ist das Rennen 13 des T.Rex-Teams dran. Platz 3 - wir hören auf - geht an die Passauer. Platz 2 – jetzt hören wir genau hin – geht an die Rgm. Pirna/Dresden. Alles klar, Jubel im Team und Aufbruch zur Bühne zur Siegerehrung: Platz 1 mit fast 16 Sekunden Vorsprung mit einer Zeit, die auch in der jüngeren C-Klasse für Platz 1 gereicht hätte. Wie schon einmal in Passau entzieht sich Mike durch Flucht, diesmal zur Verpflegungstheke. Wir Sieger werden auf die ehrenden Ehrengäste verteilt. Jeder greift sich die Siegerbierkrüge, die diese in den Händen halten d.h. am Ende halten wir mindestens 10 Stück in den Händen.
Mail aus Ulm: "Gratuliere, ich weiß, dass ihr es könnt. Sonst hätte ich euch nicht mit ins Boot genommen. Feiert schön, denkt an mich, bis bald. Martin."
Am Hänger im Matsch wird gleich darauf vor der Abfahrt wieder mit einem sprudelnden alkoholhaltigen Getränk bzw. mit Sprudel der Sieg in einem intimeren Rahmen gefeiert. Die Heimfahrt wird getragen von einer sehr heiteren bis euphorischen Stimmung, es wird viel gelacht. An die schlimme Ausfahrt vor Amsterdam erinnert sich keiner mehr, vielmehr herrscht Erstaunen über das in Passau erreichte, besonders bei den Frauen im Team.
Mail aus Ulm: "Danke für die Fotos, so sehen Sieger aus. Wann seid ihr in Ulm? Martin."
Im Club angekommen gibt's eine kurze Siegesparty im Ufer7. Martin Grimmeiß, mit dem alles angefangen hat, kommt dazu und will seinen Beitrag zum Sieg leisten und mitfeiern und ist etwas enttäuscht über die geringe Feierlaune der Heimkehrer. Doch denen steckt der in jeder Beziehung anstrengende Sieg in den Knochen. Jeder Sieg ist objektiv gesehen relativ d.h. auch abhängig von den Gegnern. Aber er ist auf jeden Fall eine super Motivation für die Fortsetzung des Projekts Mixed-Achter. Also, "Schnell-rudern-mit-Frauen" rudert wieder schnell, spätestens beim 16-km-Rennen auf dem Wörthersee Anfang September.
Rennen 13 : MW/M 8+ A-K, Mix 5.500 m, Altersklasse MD (50)
1. 39 Ulmer Ruder-Club 'Donau' (MD 50,5) 18:37,94
Sabine Berthold (67), Christina Weidner (69), Jörg Haußer (56), Torsten Aurich (68), Birte Behrens (83), Barbara Noller-Christ (66), Mike Dauser (61), Michael Leibinger (54), St. Anna Köller (98)
2. 41 Rgm. Pirnaer RV / Dresdner RV / ARV zu Leipzig (MD 54,875) 18:53,72 + 15,78
3. 40 Passauer Ruderverein 1874 (MD 51,75) (Boot 1) 19:44,67 + 1:06,73
Zum Vergleich:
MW/M 8+ A-K, Mix, Altersklasse MC (43) (Jüngere Klasse)
1. 37 Rgm. RV Erlangen / Neusser RV (MC 46,5) 18:43,31
2. 36 Erster Wiener Ruderclub LIA (MC 47,75) 19:18,98
MM 8+ Altersklasse MD (50) (Reine Männermannschaften)
1. 82 Rudergesellschaft München 1972 (MD 50,0) 18:33,44
2. 79 Rgm. Pirnaer RV / Dresdner RV (MD 53,875) 18:37,18
3. 78 Akademischer Ruderclub Würzburg (MD 50,75) 18:37,57
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